Leipziger Fassadentag

Brückentag für Theorie und Praxis

Die Referenten des Fassadentags unterstrichen die Bedeutsamkeit ihrer Branche mit der aktuellen Entwicklung: der kontinuierlichen Urbanisierung, den ca. 100 Hochhäusern, die derzeit in Frankfurt in Planung sind, der Vereinbarkeit eines steigenden Verkehrsaufkommens mit dem wachsenden Bedarf an Wohnraum. Der Ansporn, Werte für Energieeffizienz und Schallschutz weiter zu optimieren, ist groß. Zum Thema Brandschutz referierte Dipl.-Ing. Sebastian Hauswaldt von der MFPA Leipzig: Er forderte eine Vorgabe für eine zulässige Brandausbreitung an Außenwandbegleitungen.

Die deutschen Brandschutzanforderungen an Außenwandbekleidungen werden durch die Einordnung des Brandverhaltens in Baustoffklassen geregelt. Das hält Dipl.-Ing. Sebastian Hauswaldt von der MFPA Leipzig für nicht ausreichend. Seiner Ansicht nach sollte die Schutzzielbetrachtung der Brandausbreitung ins Zentrum der notwendigen baurechtlichen brandschutztechnischen Anforderungen an Außenwandbekleidungen gestellt werden. In seinem Vortrag trat er dafür ein, das bislang allgemein formulierte Schutzziel einer „begrenzten Brandausbreitung“  zu konkretisieren und die zulässige Brandausbreitung an Außenwandbekleidungen festzulegen. Auf Basis dieser Maßgabe könnten dann Prüfverfahren zur brandschutztechnischen Bewertung von Außenwandbekleidungen entwickelt werden.

Beim Vorschlag eines definierten Schutzzieles stützte sich Hauswaldt auf Dipl.-Phys. Ingolf Kotthoff, der in Stadtlengsfeld ein Ingenieurbüro für Brandschutz und Fassaden betreibt. Er schreibt in seinem Fachartikel „Analyse der Brandausbreitung über die Fassade“: „Die {vertikale} Brandausbreitung an der Außenwand darf vor dem Löschangriff der Feuerwehr eine Ausdehnung von zwei Geschossen im Gebäude nicht überschreiten.“ Dabei wird eine Brandentwicklungsdauer von insgesamt 25 Minuten zwischen dem Brandbeginn und dem Beginn des Durchführens von Löschmaßnahmen der Feuerwehr vorausgesetzt. Nach den geplanten Hilfsfristen und Funktionsstärken der Feuerwehren in Städten sollen 18 Minuten nach Brandausbruch neben den Einheiten zur Menschenrettung auch Einheiten zur Brandbekämpfung und Verhinderung der Brandausbreitung vor Ort sein.

Nach bislang durchgeführten Sockelbrandversuchen der MFPA Leipzig wäre eine definierte Grenztemperatur wie beispielsweise 500°C oder 600°C, die in acht Metern Höhe 25 Minuten lang nicht überschritten wird, geeignet, um dieses Schutzziel bei einer Sockelbrandbeanspruchung technisch zu überprüfen. Bei eindeutigen Vorgaben in punkto Brandausbreitung könnten brandschutztechnische Anforderungen an Baustoffe flexibler gehandhabt werden, wie Hauswaldt meinte. Dies wäre insbesondere für die Verarbeitung von Dämmstoffen von Vorteil, die künftig nur nach der harmonisierten DIN EN 13501-1 bewertet werden und eine Baustoffklasse erreichen müssten, für die sie jedoch nicht die Anforderungen erfüllen. Dämmstoffe der Baustoffklasse „normalentflammbar“ könnten den Nachweis begrenzter Brandausbreitung erbringen und wären für den Brandschutzbereich einer Fassade einsetzbar. Damit ließen sich auch Dämmmaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen oder neuartigen Hartschäumen verwenden.

Freiform als System

Mit dem Parametric System hat Schüco viele Vorzüge von Freiformentwürfen, die teuren, exklusiven Einzellösungen vorbehalten waren, für die Masse demokratisiert. Dafür stellt der Systempartner Werkzeuge zur Verfügung angefangen bei der softwaregestützten, digitalen 3D-Planung über die Steuerung der ausführenden Fertigungsmaschinen bis hin zur Montageplanung. Architekt Prof. Andreas Fuchs von der Hochschule RheinMain Wiesbaden referierte über den breitgefassten Kompromiss von individuell zugeschnittener Fassade und Serienprodukt. Im Parametric System lässt sich hinsichtlich der Sonneneinstrahlung jedes Element entsprechend seiner Lage und Funktion ausgestalten: Werden die transparenten Flächen von der Sonne abgewendet, wird der solare Wärmeeintrag reduziert, werden die PV-Flächen gezielt auf die Sonne ausgerichtet, optimiert sich der Energiegewinn. „Optimal an den Sonnenstand angepasst, kann durch diese Bauweise 30 Prozent Kühlenergie im Jahr gespart werden“, so Prof. Fuchs. Zudem ist das Parametric System vergleichsweise klimaunabhängig überall sinnvoll einsetzbar.

Die geometrische Freiheit resultiert aus der Elementrahmenkopplung. Diese ermöglicht es, doppelt gekrümmte Flächen mit triangulierten oder rautenförmigen Elementen einzukleiden. Schlüsselrolle für diese Flexibilität kommen dem Elementrahmen, dem Fassadenprofil und dem notwendigen Verbinder zu. „Jede Glasscheibe ist mit einem Montagerahmen entsprechend einer Structural Glazing Fassade verbunden. Dieser wird auf einem rotationssymmetrischen Fassadenprofil montiert, sodass er jederzeit ohne strukturelle Veränderungen der Gesamtfassade montiert oder auch ausgewechselt werden kann.“ Nach Information von Prof. Fuchs haben die bisherigen Projekte gezeigt. Die größte Unstimmigkeit der Baubeteiligten besteht hinsichtlich der Beschreibung der gewünschten Geometrien. Über diese Aufgabe sollten sich Architekten, Planer und Ausführende abstimmen.

Wärmeverluste bei VHF-Unterkonstruktionen

Die meist metallisch hergestellten Unterkonstruktionen müssen in der Hauptfunktion die auftretenden Lasten an die Tragkonstruktion weiterleiten. Dabei durchdringt die Konstruktion der VHF die wärmedämmende Schicht und kann für nicht unerhebliche Energieverluste sorgen. Zudem werden wegen dickerer Dämmschichten die metallischen Teile immer größer und das Potenzial für Wärmebrücken steigt. Prof. Dr.-Ing. Ulrich Möller von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig berichtete über thermische Untersuchungen, wie sich die Wirkung von Wärmebrücken bei vorgehängt hinterlüfteten Fassaden energetisch optimieren lässt. Fazit der energetischen Simulationsrechnung mittels FEM-Analyse ist, dass mittels Thermoblock — je nach Dicke mit marginalen Verbesserungen — gezielter Auswahl des Materials der Unterkonstruktion und drittens durch Öffnungen im langen Schenkel des L-Halters die Fassadenkonstruktion energetisch optimiert werden kann. Was das Material betrifft, zeigte Aluminium den schlechtesten Wert, Edelstahl wies im Vergleich zu Stahl einen relativ konstant um 0,012 W/K niedrigeren Wärmebrückenverlustkoeffizienten auf. Prof. Möller betonte, dass in der Gesamtenergiebilanz natürlich auch die Anzahl der Halter entscheidend ist. Um das Energieeinsparpotenzial auszuschöpfen und die Anzahl der Halter möglichst zu reduzieren, muss die Halterkonstruktion auch statisch optimiert werden. Diese Untersuchung lässt sich ebenfalls mithilfe der FEM-Analyse vornehmen.

WDVS und Schallschutz

Dipl.-Phys. Dietmar Sprinz von der MFPA Leipzig ist in seinem Vortrag auf den Zusammenhang von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) und dem Rw-Wert einer Fassade eingegangen. Weil dieser in der Praxis häufig nicht differenziert wird, sondern für eine Wand mit WDVS pauschal ein Abschlag von 6 dB auf den Rw-Wert angesetzt wird, erläuterte der Fassadenexperte die akustischen Veränderungen nach Aufbringen eines WDVS auf eine massive Außenwand. Er stellte klar, dass bei Einsatz einer WDVS der dB-Wert nicht nur verringert, sondern auch verbessert werden kann. Handelt es sich um eine Wand in nächster Nähe zu einer Straße, dann ist diese Wand mit WDVS beim pauschalen Abschlag von 6 dB nur noch für Situationen geeignet, in denen ein Viertel des Verkehrsaufkommens vorliegt. Bei einer massiven Außenwand ohne WDVS ist ein tägliches Verkehrsaufkommen von ca. 4.000 Fahrzeugen zulässig. „Faktisch könnte sich mit WDVS der dB-Wert aber bis 15 dB verbessert haben“, konstatierte Sprinz. Damit wäre die bauliche Situation allerdings für mehr als das 10-fache Verkehrsaufkommen geeignet. Die Ermittlung der exakten Luftschalldämmung lohnt also. Prinzipiell gilt, dass sie nach den Vorgaben der bauaufsichtlichen Zulassung des WDVS erfolgen muss, wobei sie sowohl durch Berechnung (möglich für WDVS aus EPS und Mineralwolle) als auch durch Prüfung möglich ist. Sprinz wies daraufhin: „Messungen im Prüfstand liefern präzisere Daten. Die Rechenwerte können von den Prüfergebnissen bis ca. 5 dB abweichen.“⇥ma◊

Der Leipziger Fassadentag ist eine gemeinsame Veranstaltung des Deutschen Institutes für Bautechnik (DIBt), der MFPA Leipzig, des Gutachter- und Sachverständigenbüros Sahlmann & Partner ansässig in Leipzig, des Institutes für Fassaden- und Befestigungstechnik Leipzig-Engelsdorf sowie der HTWK Leipzig.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 7-8/2016

Fassadentag Berlin

Hygrothermische Verformungen

Dr.-Ing. Thomas Schrepfer, öffentlich bestellter Sachverständiger und einer von vier Geschäftsführern der CRP Bauingenieure in Berlin, referierte über Verformungen von Fassaden aufgrund...

mehr
Ausgabe 06/2011 Neuer Glanz für den Schulalltag

Feuerverzinkte Fassade

Die Werner-von-Siemens-Schule in Bochum hat den Anspruch, „mehr als nur Schule“ zu sein. Sie bietet ihren Schülern über den eigentlichen Unterricht hinaus Möglichkeiten zur Teilnahme an...

mehr
Ausgabe 11/2013

VHF – im Brandfall sehr sicher

Punkten mit Präzision und Fachwissen

Die deutschen Brandschutzbestimmungen für Gebäude und deren Fassadensysteme erweisen sich auf den ersten Blick als mühsam zu durchschauen. Zu viele verschiedene Verordnungen und Vorschriften sind...

mehr
Ausgabe 03/2014

Brandschutz bei Doppelfassaden

Sicherheit ohne umfassende Normung

Die Doppelfassade verfügt über zwei Fassadenebenen. Die äußere Ebene (Sekundärfassade) dient vor allem als Witterungs- und Lärmschutz und gewährleistet die Funktion der Sonnenschutzanlagen auch...

mehr
Ausgabe 7-8/2018

Schneider Dach- & Fassadentag

Normkonforme Flachdächer

Seit vergangenem Jahr sind die Flachdachrichtlinie und die Norm für die Abdichtung von Dächern separat anzuwenden. „Weil die Flachdachrichtlinie des ZVDH: 2016-09 in der DIN 18531:2017-7, in der...

mehr