Stahl-Leichtbauweise (1)

Eine Bauweise mit Chancen

Die Stahl-Leichtbauweise entwickelt sich zunehmend von einer Nischen- zu einer zukunftsfähigen Systembauweise. In Deutschland hat sich diese Bauweise noch nicht flächendeckend etabliert. Schulungen bringen Planer, Statiker und Monteure auf den aktuellen Stand. Prof. Dr. Jochen Pfau vom Institut für Trocken- und Leichtbau lud in Kooperation mit der Wirtschaftsvereinigung Stahl zu einer Fachtagung im Stahl-Zentrum Düsseldorf ein. Bei der Veranstaltung informierten sich rund 70 Planer und Ausführende über Konstruktions- und Kalkulationsgrundlagen. Dipl.-Ing. Melanie Seifert war dabei und berichtet darüber.

„Haben Sie mit Ihrem Projekt Geld verdient?“ wurde Georg Hofmann von Hofmann Innenausbau gefragt, nachdem er 2013 erfolgreich eine Aufstockung mit einem flachgeneigten Dach fertiggestellt hatte. „Nein“, war seine nüchterne Antwort. „Aber es hat Spaß gemacht“, fügte er dann doch hinzu. Ob er so ein Projekt wieder ausführen würde? „Ja! So ähnlich!“ Alleine diese wenigen Aussagen lassen erahnen, wie es in der Praxis um den Stahl-Leichtbau bestellt ist. Hofmann ist trotz seiner jüngsten Erfahrungen überzeugt von der Bauweise. Vermutlich, weil er gerade Pionierarbeit geleistet hat. Warum tut man sich heutzutage noch so schwer mit der Umsetzung? Da ist zum einen der noch immer sehr hohe Preis und zum anderen – und das ist eigentlich das Traurige – die spärliche Auslese von Statikern und Planern mit entsprechendem Know-how. Und auch im Handwerk sucht man ja schon seit geraumer Zeit nach fähigem Fachpersonal. Dabei kommen Aufgaben auf die gesamte Baubranche zu, bei denen genau diese Fähigkeiten dringend gebraucht werden.
Fakt ist, dass sich kaum jemand mit Stahl-Leichtbau auskennt. Dass es kaum Schulungen gibt, dementsprechend gibt es auch kaum Unterlagen zu dieser Bauweise. Und zuletzt noch die bitterste Wahrheit: Statik und Prüfstatik beim Stahl-Leichtbau sind ein schwieriges und komplexes Aufgabengebiet. Ohnehin ist der Mangel an Fachleuten bekannt, aber selbst die Fähigen, die noch übrig sind, kooperieren selten miteinander.

Vorteile des Stahl-Leichtbaus

Dabei liegen die Vorteile auf der Hand. Das bauliche Umfeld ist heute geprägt von Urbanisierung, der Nachverdichtung der Innenstädte sowie den Anforderungen an die Energieeinsparung und das nachhaltige Bauen. Mit Profilen aus Stahlfeinblech vereint der Stahl-Leichtbau hohe Tragfähigkeit und vielfältige Nutzungsmöglichkeiten zu einem zukunftsweisenden Bausystem. Für die Erweiterung und Aufstockung von Gebäuden, aber auch für den Neubau, für Fassaden und spezielle Aufgaben im Gebäudeinneren ist sie wegen des geringen Gewichts, der Flexibilität des Systems, der schnellen und problemlosen Montage sowie der Brandsicherheit eine sinnvolle Bauweise. Viele Bauaufgaben lassen sich wirtschaftlich ausschließlich mit Stahl-Leichtbausystemen umsetzen. Dies ist nicht alleine durch die hohe technische Effektivität dieser Bauweise begründet, sondern auch durch die gestalterische Freiheit der Systembauweise. Wenn also nicht nur die Teilnehmer der Düsseldorfer Fachtagung – also Architekten, Ingenieure, bauausführende Unternehmer und Bauträger – nun ihr Angebotsspektrum um tragende Wand- und Deckenkonstruktionen in Stahl-Leichtbauweise erweitern, müssen auch Metallbauer vorbereitet sein.

Stahl-Leichtbau im Ausland

Im europäischen Ausland – vor allem in England, Skandinavien, Belgien und den Niederlanden – beträgt der Anteil der Stahl-Leichtbauweise am Wohnungsbau und bei kleineren gewerblichen Einheiten inzwischen bis zu 15 %. In der Schweiz werden außergewöhnliche Entwürfe renommierter Architekten aufgrund des hohen Vorfertigungsgrades, der Erdbebensicherheit und Nichtbrennbarkeit in Stahl-Leichtbauweise realisiert. In Deutschland belegen innovative Gebäudeerweiterungen die vielfältigen Möglichkeiten, die diese Bauweise bietet. Eine Studie des VHT-EC „Future Trend“ aus dem Jahr 2012 prognostizierte bis 2018 das Entwicklungspotenzial der Trocken- und Leichtbauweise auf rund 30 % Wachstum.

Nachverdichtung und Aufstockung

Der Stahl-Leichtbau birgt großes Potenzial für Aufstockungen und Sanierungen aufgrund seiner – wie der Name schon sagt – Leichtigkeit und damit auch seiner Schlankheit. Viele deutsche Großstädte, allen voran München, haben kaum noch Potenzial, sich in die Breite zu vergrößern. Um trotzdem weiter Wohnraum schaffen zu können, werden nicht selten Aufstockungen in Erwägung gezogen. Ebenso verhält es sich in Städten mit wenig Wohnraumangebot und entsprechend hohen Quadratmeterpreisen beim Thema Sanierung. Quadratmeterverluste durch dicke Wandaufbauten will sich dort kaum einer leisten, zu hoch ist die Verlockung der Renditen.

Raum-in-Raum-Systeme und Fassaden

Sieht man vom Wohnungsbau ab und blickt auf andere Gebäudetypen wie beispielsweise Industriegebäude oder Messestände, finden sich auch gute Argumente für den Stahl-Leichtbau. Egal ob große Spannweiten oder überdurchschnittlich hohe Einbauten (Fachleute sprechen hier von Raum-in-Raum-Lösungen) – im Vergleich zum Holz-Leichtbau kann der Stahl hier deutlich mehr leisten. Bei diesen Typologien zeichnet sich die eigentlich noch sehr junge Geschichte des Trockenbaus in Deutschland ab, die sich erst nach dem 2. Weltkrieg etabliert hat. Die Historie zeigt, dass der Stahl-Leichtbau ein nächster, sinnvoller Entwicklungsschritt sein wird. Dabei sind bei der Montage besonders die statischen Eigenschaften zu beachten. Schrauben am Auflager sind zum Beispiel wirksamer als mittig angebrachte Verbindungen. Das Profil trägt mehr Last als die Beplankung, wenngleich diese natürlich die Steifigkeit des Systems unterstützt.

Spannend wird es mit dem Stahl-Leichtbau an der Fassade ohne tragende Funktion. Gerade der hohe Vorfertigungsgrad und die damit einhergehenden Qualitätsstandards in Sachen Überwachung, Witterungsunabhängigkeit oder Montagezeiten sprechen dafür. Warum also setzen es bislang so wenige um? Vom mangelnden Fachpersonal einmal abgesehen hatte die Bauindustrie bis vor Kurzem noch keine adäquaten Antworten in Sachen Wärmedämmung oder Brandschutz. Im Hinblick auf die sich stetig verschärfende EnEV (Energieeinsparverordnung) ist es höchste Zeit geworden, Produkte weiterzuentwickeln. Hier gibt es auch schon große Fortschritte, aber nach oben ist noch Luft. Vor allem kommt es hier auch auf die Ausführung bei Fertigung und Montage an. Präzision und das Wissen, wie die Schnittstellen ineinandergreifen müssen, wie der Transport vonstattengehen soll und in welchem Maß vorgefertigt werden kann, spielen hierbei eine tragende Rolle.

Schlüsselfaktor Vorfertigung

Vorfertigung in Sachen Stahl-Leichtbau scheint auf den ersten Blick selbstverständlich, aber tatsächlich gelingt dies nur Trockenbauern, die auf Holz spezialisiert sind. Sie haben entsprechende Werkshallen. Aber haben sie auch das Know-how eines Metallbauers? Allein hier wird deutlich, dass Handlungsbedarf besteht. Voraussetzung für die Vorfertigung ist eine beheizte, geschlossene Fertigungshalle mit einer Druckluftanlage. Die Vorfertigung der Tafelelemente bedarf einer spezifischen Planung, die auch das Tragverhalten der Elemente berücksichtigt. Zu differenzieren sind bei der Montage laut Gesetzgebung die Fertigung als „komplette Vorfertigung“ sowie als „Vor-Ort-Fertigung“. Erstgenannte hat strengere Regeln. Das Bauprodukt wird nach der sogenannten Bauregelliste bewertet. Fremdüberwachung und ein Übereinstimmungszertifikat nach der europäischen CE-Kennzeichnung sind verpflichtend. Bei der Vor-Ort-Fertigung genügt eine ganz normale Bauleitung.

Georg Hofmann wäre bereit, „so ähnlich“ wieder zu bauen. Es bleibt zu hoffen, dass sich das Know-how im Stahl-Leichtbau bei allen am Bau Beteiligten auch in der Masse durchsetzt, damit neben dem Spaß an der Umsetzung auch noch ein paar Euros verdient werden können.

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