Stahl-Leichtbauweise (2)
Komplexität erfordert präzise UmsetzungIm zweiten Beitrag über die Fachtagung im Stahl-Zentrum Düsseldorf geht es vor allem um die Umsetzung und den damit verbundenen vielfältigen Anforderungen. Die Komplexität resultiert daraus, dass diverse Themen wie Konstruktion, Wärmeschutz, Brandschutz und Schallschutz unter einen Hut gebracht werden müssen. Aufgrund steigender Nachfrage werden für die Stahl-Leichtbauweise Lösungen bis hin zu komplett vorgefertigten Modulbausystemen angeboten.
Präzision bei der Fertigung ist für den Stahl-Leichtbau elementar. Meinungsverschiedenheiten zwischen der Bauleitung und dem ausführenden Monteur sind auch bei anderen Bauweisen keine Seltenheit, doch beim Stahl-Leichtbau wird die Bauleitung noch viel genauer hinsehen. Die Komplexität der Stahl-Leichtbauweise resultiert vor allem aus den Anforderungen an Konstruktion, Wärmeschutz, Brandschutz und Schallschutz, die abgestimmt werden müssen.
Vorgehängte, hinterlüftete Fassaden
Spannend ist der Umgang bei Stahl-Leichtbauten an der Fassade. Hier müssen vor allem die Anforderungen an den Wärmeschutz berücksichtigt werden. Die neuen EnEV-Anforderungen stellen eine große Herausforderung sowohl für die Bauprodukte als auch für die Umsetzung vor Ort dar. Wärmebrücken sind zu vermeiden. Daher sieht das Gesetz U-Werte bis 0,15 W/m²K bei Neubauten vor. Bei Sanierungen dagegen gibt es bislang keine Verschärfung der Anforderungen. Welche Fragen sind also in Sachen Wärmedämmung zu berücksichtigen? Vor allem die Konsolen (z.B. aus Aluminium) und deren Befestigungen verursachen oft Wärmebrücken. Daher bietet die Industrie bereits Konsolen mit thermischer Trennung – also Gummiplättchen – an, was eine effiziente Lösung darstellt. Besonders in der Masse rechnet sich das. Wichtig für den Planer ist es, punktuelle Wärmebrücken der Befestigungen mit einzurechnen. Für den Monteur gilt dasselbe: Er muss sich, um die errechneten Werte einhalten zu können, auch akribisch an die Anzahl der Befestigungen pro Konsole halten.
Der U-Wert von 0,15 W/m²K entspricht dem Passivhausstandard. Allerdings hat man es bei dieser Bauweise mit sehr hohen Wärmedämmanteilen bis zu 3 m zu tun. Da ist es von Vorteil, wenn die Unterkonstruktion nicht so aufträgt. Neben dem Wärme- ist natürlich auch der Feuchteschutz zu beachten. Studien belegen, dass bei vorgehängten, hinterlüfteten Fassaden bei 100 % Regen ziemlich genau 94,5 % auf die Fassade niederschlagen. In der Hinterlüftung fallen 5,1 % ab, und etwa 0,3 % landen auf dem Dämmstoff. Davon wiederum dringt 0,1 % der Feuchtigkeit ein. Daher sollte hydrophobierendes Dämmmaterial verbaut werden. Die DIN 4102 ff. regelt den Brandschutz. Inzwischen sind bei den meisten Bauvorhaben Brandriegel über jedem zweiten Vollgeschoss nötig, um den Anforderungen gerecht zu werden. Besonders bei hinterlüfteten Fassaden eignen sich umlaufende Brandriegel.
Metalldachkonstruktionen
Auch beim Dachaufbau sind Wärmebrücken zu vermeiden. Bisher gängige Lösungen mit Distanzhaltern – meist Z-Profilen – werden im Zuge der EnEV-Anforderungen aus der Praxis verschwinden. Alternativ eignen sich Wärmedämmsysteme, deren Komponenten mit minimierten Oberflächen und eingefrästen Schienen mechanisch an der Dämmung befestigt werden. Ebenso werden Kassettenwände verschwinden, da diese umlaufend Wärmebrücken erzeugen. Auch hierfür bieten sich sowohl vertikal als auch horizontal die oben genannten Systeme an. Einzig in Sachen Verschraubung bietet der Markt bislang noch keine ausreichenden Lösungen gegen Wärmebrücken. Hier sind Unterkonstruktionshersteller gefragt.
Montage vor Ort – eine amerikanische Denkweise
Daran wird in der Entwicklung emsig gearbeitet. Prof. Jochen Pfau im ITC Darmstadt beispielsweise forscht unter anderem an Lösungen, die sich besonders durch Kombinationen von Profilen auszeichnen. Seine Forschung resultiert aus der – wie er sagt – „amerikanischen Denkweise“, die vor allem die Montage vor Ort im Blick hat. Sprich: Was liegt vor Ort schon vor? Was kann ich davon gleich nutzen und verarbeiten? So entstehen intelligente Verschachtelungen von beispielsweise C- und U-Profilen, die lokales Beulen minimieren, Randprofile verstärken usw. Die Anschlussdetails im Stahl-Leichtbau entsprechen denen des Holzrahmenbaus. Allerdings, und das ist gerade bei Aufstockungen sehr hilfreich, sind sie immer etwas leichter.
Planung, Fertigung und Montage
Pfau nennt die wichtigsten Punkte, die bei Fertigung und Montage relevant sind: Zunächst müssen die Profile mit entsprechender Blechdicke gewählt und im Anschluss zugeschnitten und verbunden werden. Hierbei muss klar sein, welche Geräte dafür benötigt werden. Ein besonderes Augenmerk legt Pfau auf den Dämmstoffzuschnitt (62,5 cm bei Wärmedämmung), der beim Stahlbau durch die schlankeren Profile natürlich auch anders behandelt werden muss. Es folgen die Befestigung der Beplankung und das Anhängen der Tafelelemente – und wieder gilt es, Statik und Wärmeschutz beim Verschrauben im Auge zu behalten. Nach Anfertigung dieser Elemente folgen Montage und Versetzung vor Ort. Hier müssen Fragen nach der Ausstattung bei der Montage, z.B. für die Verankerung und Montagesicherung, beantwortet werden.
Stahl- versus Holz-Leichtbau
Das tragende Bauteil ist beim Stahl-Leichtbau leichter und daher bei Transport und Montage leichter manuell zu bewegen. Man hat es mit einfachen Fügetechniken zu tun und benötigt kein explizites Zimmermanns-Know-how. Bei kleineren Bauvorhaben und auch beim Bauen im Bestand eignet sich der Stahl-Leichtbau häufiger, bedenkt man zum Beispiel die schwere Zugänglichkeit von Baustellen. Die Elemente und zum Teil sogar ganze Raumzellen können sowohl vorgefertigt als auch vor Ort gefügt werden (field factory). Im Hinblick auf die hohen Lohnkosten in Deutschland und auf kürzere Bauzeiten kann sich diese Bauweise unter Umständen sogar als wirtschaftlicher erweisen. Darüber hinaus bleiben die Bauteile witterungsunabhängig. Segen und Fluch ist das Thema der permanenten Überwachung, denn einerseits ist die vom Gesetzgeber geforderte Kontrolle bei der Vorfertigung ein Qualitätssiegel, andererseits bedarf es eines extrem hohen Planungsaufwands mit entsprechendem Know-how.
Kosten
Stahl ist teuer – auch im Hinblick auf die Kosten lohnt der Vergleich mit dem Holzbau. Die Mehrkosten für den Stahl kann man mit etwa 10 bis 25 % benennen. Aber je größer die Stahlmenge, desto wirtschaftlicher wird das Bauen mit Stahl. Die Fachleute sind sich einig, dass der Status quo sich dann ändern wird, wenn der Anbieterkreis wächst und der damit einhergehende Wettbewerb zunimmt. Noch ist das Zukunftsmusik, und es bleibt zu hoffen, dass sowohl Kalkulationsängste sowie Probleme bei statischen und bauphysikalischen Nachweisführungen ausbleiben. Solange diese Themen noch nicht vom Tisch sind, muss man ehrlicherweise mit 5 bis 10 % Mehrkosten rechnen, wenn man in die Stahl-Leichtbauweise einsteigen möchte.
Fazit
Die vielen Vorteile des Stahl-Leichtbaus, kombiniert mit den hochentwickelten Lösungen in Sachen Wärmedämmung, sollten Grund genug sein, viele Bauprojekte in dieser Bauweise umzusetzen. Begleitend zur Fachtagung stellten auch Unternehmen Produkte und Dienstleistungen aus, die sich rund um den Stahl-Leichtbau angliedern – die Industrie ist vorbereitet. Und die Praxis? Die Realität sieht aus den genannten Gründen anders aus. Allen voran steht die wenig präsente Fort- und Weiterbildung von Planern und Architekten in den Fachbereichen Statik und Bauphysik. Speziell in Deutschland ist auch die Kombination von Bauweisen nicht Usus. Aber es wird daran gearbeitet, um einen Markt für die Zukunft zu etablieren. In Darmstadt und Rosenheim beispielsweise hat Prof. Dr. Jochen Pfau Stiftungslehrstühle etabliert, an denen die Verschachtelung von Profilen erforscht wird. Sein größter Wunsch: „Der Stahl-Leichtbau sollte mehr in die Ausbildung integriert werden!“ Er fügt hinzu: „Außerdem wünsche ich mir mehr Toleranz für diese Bauweise bei Holzbauern.“ Und Sie? Wie wollen Sie es in Zukunft mit dem Stahl-Leichtbau halten?