„Tiefeninduktion ist eine Ergänzung“

Im Gespräch mit W. Schneider und T. Vauderwange

Im Interview stellen Dipl.-Ing. Thomas Vauderwange und Dipl.-Ing. Wolfgang Schneider das Potenzial des Induktions- und Flammrichtens gegenüber. Vauderwange ist Geschäftsführer von VauQuadrat in Offenburg, Schneider leitet die Anwendungstechnik, Wärmetechnik und Autogentechnik bei Messer Cutting Systems in Essen.

metallbau: Das Flammrichten hat ja im Stahlbau Tradition …

Wolfgang Schneider: Ja, alle der ca. 150.000 Stahlbaubetriebe in Deutschland haben eine Ausstattung zum Flammrichten, da haben wir gegenüber dem Induktionsverfahren etwas Vorsprung.

Thomas Vauderwange: Das Induktionsverfahren ist noch nicht so bekannt. In der Industrie sind wir 2011 erstmals gehört worden. Von etwa 1.000 Unternehmen, die unsere Geräte einsetzen, sind ca. 100 im Stahlbau tätig.

metallbau: Welche Investitionen sind denn nötig, um vergleichbare Geräte für das Flammrichten bzw. Induktionsrichten einzusetzen?

Vauderwange: Die Anschaffung unseres stärksten Geräts Alesco A4000 (18 kW) kostet ca. 20.000 Euro. Für eine Schlosserei, die Edelstahlgeländer richten möchte, ist auch die Alesco A80 (3,7 kW) für rund 4.000 Euro geeignet. Stahlbauer benutzen das transportable Gerät sowohl zum Richten als auch zum Vorwärmen. Auch wenn beispielsweise wegen beengter Platzverhältnisse kein Flammrichten eingesetzt werden darf, ist das Induktionsrichten mit der A80 eine Option.

Schneider: Die einfache Ausstattung für das Flammrichten also ein Standard-Flaschenwagen, ausgestattet mit den üblichen Arbeitsmitteln wie Druckgasflaschen Acetylen und Sauerstoff, kostet zwischen 1.000 und 1.500 Euro. Um die Leistungsfähigkeit des A4000-Gerätes zu erreichen, muss das Unternehmen in das Equipment um den F28-A investieren – Kostenpunkt ca. 3.000 Euro. Hinzukommen noch Druckgasflaschenbündel für Acetylen (1.000 Euro bis 3.000 Euro) und Sauerstoff für ca. 1.000 Euro.

metallbau: Und wie lange sind die Geräte dann einsatzfähig?

Vauderwange: Unsere ersten Geräte aus dem Jahr 1998 sind immer noch funktionstüchtig.

Schneider: Bei den Brennern würde ich meinen, dass sie zwischen 15 und 20 Jahre brauchbar sind.

metallbau: Wenn wir jetzt dasselbe Werkstück, beispielsweise ein DB-Schienenstück, mit Verzug haben und es einerseits mit dem Induktionsverfahren bearbeiten und andererseits mit dem Flammrichten – wie unterschiedlich sind die Abläufe?

Schneider: Wenn die Schiene etwa im Zentimeter-Bereich verzogen ist, vielleicht zwischen 5 mm bis 35 mm, dann richte ich sie mithilfe der Acetylen-Sauerstoff-Flamme, indem ich gezielte Richtfiguren im Fuß- und Kopfbereich einsetze. Mit der Flamme wird gezielt in den zu richtenden Bereichen über die Oberfläche die Energie eingebracht, die die mechanisch technologischen Werte herabsetzt, wie zum Beispiel die Streckgrenze. Dies führt bei optimal installierter Dehnungsbehinderung zum besten Richteffekt in den plastischen Bereichen.

Vauderwange: Prinzipiell mache ich beim Induktionsrichten nichts anderes, ich arbeite mit elektrischer Energie und etwas weniger Wärme. Als wir bei einer Weiterbildung den Versuch parallel laufen ließen, war das Richten mit dem Induktionsverfahren nach drei Minuten abgeschlossen. Für das Flammrichten wurden neun Minuten benötigt. Prinzipiell braucht man auch wesentlich weniger Energie für das Induktionsrichten: Je nach Anwendung verhält sich der Energieverbrauch vom Induktionsrichten zum Flammrichten 1:10, beziehungsweise 1:30. Allerdings rechnet sich die Energieeinsparung nicht für ein kleines Unternehmen, das im Jahr eine Acetylenflasche verbraucht. Damit sich Energiekosten rechnen, muss entsprechender Durchsatz vorhanden sein.

metallbau: Wie unterscheiden sich die beiden Verfahren im Anwendungsbereich?

Schneider: Wir fangen mit der Flamme bei 1,0–1,5 mm an und hören bei 600 mm Materialstärke auf. Mit speziellen Sonderbrennern können auch stärkere Bleche gerichtet werden.

Vauderwange: Das Induktionsrichten geht schon bei Alublechen mit einer Stärke von 0,7 mm los, und dann halten wir mit bis zu 50 mm Materialstärke.

Schneider: An Aluminiumfolien mit 0,7 mm Dicke möchte ich mit meiner Flamme nicht hin.

Vauderwange: Ein wesentlicher Vorteil der Induktionstechnologie ist, dass die Wärmewirkung bis zu 15 mm tief ins Metall reicht. Landläufig meint mancher, dass das Induktionsverfahren nur einen halben Millimeter Wirktiefe erreicht.

metallbau: Was sind die typischen Anwendungsbereiche für das Flammrichten?

Schneider: Der Schwere Stahlbau, der Kran- und Maschinenbau, klassisch der Schiffsbau. Wir können auch ab Wandungsstärke größer 50 mm und aufwärts gut arbeiten. Das Flammrichten wird in allen vier EXC-Klassen eingesetzt.

Vauderwange: Zunächst wurde das Induktionsrichten vor allem im Fahrzeugbau genutzt. Inzwischen ist es bekannter und wird im Maschinen- und Schiffsbau sowie im Leichten Stahlbau eingesetzt.

metallbau: Lassen sich die beiden Verfahren mit einem Roboter kombinieren?

Vauderwange: Ja, das ist kein Problem. Über einen Scanner wird der Verzug des Bauteils festgestellt, und der Roboter übernimmt das Richten.

Schneider: Auch für das Flammrichten gibt es Möglichkeiten, den Ablauf über Roboter zu steuern. Nichtsdestotrotz braucht es einen qualifizierten Mitarbeiter, der den Roboter bedient.

metallbau: Welche Ausbildung ist denn nötig, um die jeweiligen Richtverfahren zu beherrschen?

Schneider: Die Weiterbildung zur Flammrichtfachkraft regelt inzwischen die DVS Richtlinie 1145, sie ist in dreitägigen Modulen für die unterschiedlichen Materialien (Baustahl; Chrom-Nickel und Feinkornbaustahl; Aluminium) aufgebaut. Wer diese Weiterbildung absolviert, sollte eine Ausbildung in einem metallverarbeitenden Beruf haben und Praxiserfahrung. Die Module werden mit einer Prüfung abgeschlossen. Bis ein Metallbauer die Fortbildungsserie durchlaufen hat, dauert es ca. drei Jahre. Ausgebildete Flammrichter sind angehalten, ihre Prüfungen im Zweijahresturnus durch einen Erfahrungsaustausch aufzufrischen.

Vauderwange: Die Weiterbildung zum Flammrichten ist eine gute Voraussetzung für das Induktionsrichten. Meist ist eine Vor-Ort-Schulung von einem halben Tag ausreichend, um zu erklären, wie sich mit weniger Temperatur mehr Richteffekt erreichen lässt. Es funktioniert nicht, einem Flammrichter ein Induktionsgerät hinzustellen und zu sagen: Mach mal.

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