Wintergarten für Vierseithof

Cortenstahl verbindet Alt und Neu

Das österreichische Unternehmen Heinrich Renner pflegt zwei Leidenschaften: Den Metallbau und ein eigenes Hotel. Der Zufall und Heimatliebe führte zu dieser außergewöhnlichen Kombination, als das historische Gebäudeensemble Vierzigerhof mit originalem Renaissance-Arkadengang aus dem Jahr 1580 Mitte der 2000er-Jahre einen neuen, engagierten Besitzer suchte.
2011 wurde in dem Vierseithof ein Hotel mit zehn exklusiv ausgestatteten Zimmern eröffnet. Bereits seit 2007 gibt es das neu errichtete Stiegenhaus, das als moderner Ausguck über die Weinstadt Langenlois nicht nur einen einmaligen Rundblick bietet, sondern mit über 2.000 m² Fläche für regionale Kunst- und Kultur-Events sowie Seminare beliebt ist.

Eigenes Hotel als Showroom
Der Vierzigerhof wurde mit viel Fingerspitzengefühl restauriert und mit einem großzügigen Wintergarten ergänzt, der als Frühstücksraum für Hotelgäste und als Raum für Veranstaltungen dient. Er nimmt architektonisch und technisch eine Vermittlerrolle ein. Einerseits schlägt seine luftige Glasbauweise eine Brücke von der historischen Bausubstanz hin zu moderner Architektur, andererseits zeigt er anschaulich die Leistungsfähigkeit des Unternehmens. „Der Wintergarten reflektiert genau unser Metallbauspektrum“, schwärmt Andreas Renner, der mit seinem Bruder Kurt die Geschäfte führt. „In seine Stahlgrundkonstruktion wurden Schüco Profile eingearbeitet, außen wurde er mit wetterfestem Stahl verkleidet. Er zeigt also anschaulich unsere Kompetenzen im Stahl-, Aluminium- und Glasbau.“
Der Hotelbetrieb wird als lebendiger Showroom verstanden, wo sich Architekten, Bauherren und Interessenten aller Branchen inspirieren, beraten und letztlich vom Potenzial des Unternehmens überzeugen lassen können. In der Kombination des historischen Renaissance-Hofes mit zeitgemäßem Wintergarten und exquisiten Hotelzimmern ist dies sicher einzigartig.
Die Idee des Wintergartens wurde aus dem Raumbedarf heraus geboren, der für den Hotelbetrieb erforderlich ist. Die Bestandsgebäude boten dazu keinen weiteren Platz und außerdem mussten die Vorgaben des Österreichischen Bundesdenkmalamtes berücksichtigt werden. Daraus entstand letztlich das Konzept eines temporär errichteten Wintergartens. „Wenn der Renaissance-Arkadenhof eines Tages wieder ausschließlich im Vordergrund stehen sollte, könnte man diesen Stahlbau samt Wintergarten relativ leicht in ca. 14 Tagen demontieren“, erläutert Renner. „Allerdings“, fügt er hinzu, „besteht dazu jetzt kein Anlass, aber die Möglichkeit ist prinzipiell gegeben.“

Selbsttragender, eigenständiger Baukörper
Wer in Österreich historische Gebäude mit moderner Architektur verbinden will, erhält laut Renner die Zustimmung von Amts wegen unkomplizierter, wenn es sich um temporär nutzbare Konstruktionen handelt. Wichtig dabei ist die strikte Trennung zwischen Alt und Neu und ein möglichst geringer Eingriff in die historische Substanz. An die repräsentativen Renaissance-Arkaden schließt sich jetzt ein moderner Gang aus Stahl an, der letztendlich über ein Podest in den Wintergarten übergeht. Der Wintergarten selbst wurde zu einer konstruktiven Herausforderung: Kein rechter Winkel und extremes Bodengefälle bedeuteten viele Sonderformen und individuell zugeschnittene Glaselemente. „Insbesondere mussten wir die Unebenheiten der damaligen Bauzeit berücksichtigen, denn ein Fundament im heutigen Sinne hat es nicht gegeben“, erläutert Renner.
Der lichtdurchflutete Wintergartenanbau ist deshalb in sich selbsttragend und zweigeteilt. Er verfügt über eine innere Podest-ebene, die vom Wintergarten brand- und schallschutztechnisch entkoppelt ist und über die man in einige Zimmer gelangt. Die Galerie ruht auf Stahlsäulen, die im darunter liegenden Wintergarten fundamentiert sind. Das Pultdach des Wintergartens umschließt die Galerieebene und bietet ihr Regen- und Sonnenschutz. Der Renaissance-Laubengang und sein modernes Pendant aus Stahl sind mit einem Aufzug verbunden, der über die Galerie einen barrierefreien Zugang zu den Gästezimmern ermöglicht.
Die Wintergartenkonstruktion ruht auf I-Trägern, die die statische Fundamentfunktion übernehmen. Darauf wurde eine Aufsatzkonstruktion aus Schüco Elementen errichtet, in die das Glas eingelegt ist. Im Dach- und Wandbereich des Wintergartens und für das Dach des Verbindungsganges wurde ein kombiniertes Sonnenschutz-Schallschutz-Isolierglas Cool-Lite SKN 175 mit einem Wärmedurchgangskoeffizienten Ug 1,1 W/m²K und einem Schalldämmmaß Rw 38 dB verwendet. Für die Abgrenzung der Galerie zum Wintergarten und zum oberen Verbindungsgang wurde Contraflam eingesetzt, ein Brandschutzsicherheitsglas mit Schallschutzfunktion. Das Brand- und Schallschutzglas dient der internen Schalltrennung, damit der Gast im Hotelzimmer ungestört bleibt. Das Sonnenschutzglas kommt vom österreichischen Flachglasveredler Eckelt Glas, das Brandschutzglas von Vetrotech, beide Unternehmen gehören zur Gruppe Saint-Gobain Glassolutions.
Für die moderne Glaskonstruktion fanden die Schüco Profile AWS 75 SI bzw. ADS 75 SI, für die Lüftungs-Klappflügel im Dachbereich AWS 57 RO Verwendung. Die Aluminiumprofile sind hochwetterfest in der Farbe Anthrazit pulverbeschichtet. Für die optisch gelungene Verbindung von historischer und moderner Architektur wurde die Konstruktion außen im Sockel-, Trauf- und Stirnseitenbereich mit wetterfestem Cortenstahl verkleidet. Für die Glasklemmleisten kam Flachmaterial 50 x 6 mm aus wetterfestem Stahl zum Einsatz, das mit Dichtbändern hinterlegt wurde.

HKL nur teils automatisiert
Der Anschluss der modernen Wintergarten-Glaskonstruktion an den historischen Baukörper wurde mit einem sogenannten Labyrinth-System gelöst. Dabei verbindet ein speziell ausgearbeitetes Wandanschlussprofil die beiden Gebäudeteile. Ein dazu notwendiger Schlitz am Bestandsgebäude wurde mit Dämmmaterial ausgefüllt, mit einem fachgerechten Folienanschluss versehen und mit einem Deckblech abgedeckt. Dieser Anschluss wurde vor Ort handwerklich ausgebildet.
Für die Be- und Entlüftung des Wintergartens sind fünf um 180 Grad längsseitig drehbare Fensterelemente vorhanden, sodass die Längswand bei schönem Wetter zu 50% nach außen geöffnet werden kann. Zusätzlich verfügt die Dachkonstruktion über sechs Dach-Klappflügel, die über Motoren betätigt werden. Außerdem gibt es zwei Türen. „Wir haben keine Dauer- oder Zwangsbelüftung, sondern lüften im Erdgeschoss völlig konventionell“, berichtet Andreas Renner.
Die Antriebe für die Dach-Klappflügel werden von einer Steuerung bedient. Je drei Flügel für Wintergarten und Verbindungsgang sind in einer Gruppe zusammengefasst. Für den Wintergarten ist ein einfaches Lüftungsprogramm mit den Zuständen „Auf“ und „Zu“ hinterlegt, auch eine händische Tasterbedienung ist möglich. Der Verbindungsgang hingegen ist vollklimatisiert und über ihn auch drei der Hotelzimmer. Diese Gruppe wird gesondert gesteuert. Einzig ein Wind- und Regenwächter überwacht die Öffnung sämtlicher Dach-Klappflügel automatisch und veranlasst das Schließen bei entsprechendem Wetter. Im Sommer wird die Wärme durch Nachtlüftung abgeführt und damit die Baukörperkühlung erreicht. Im Winter erfolgt die notwendige Frischluft über eine kontrollierte Stoßlüftung. Die Fensterantriebe und die Lüftungssteuerung kommen vom führenden österreichischen Anbieter Zach.
Der Glasbau ist so positioniert, dass außer dem Sonnenschutzglas keine zusätzliche Sonnenschutzvorrichtungen wie Rollos oder Jalousien notwendig sind. Geheizt wird über eine Warmwasser-­Fußbodenheizung, die von einer Solarthermieanlage mit Pufferspeicher unterstützt wird. Im ersten Obergeschoss wird die Temperatur durch den passiven Energieeintrag über die Glasflächen und die Klimaanlage über eine Zeit- und Temperatursteuerung geregelt.

Eigenleistung
Der Wintergarten wurde in Sachen Metall- und Glasbau inklusive der Statik in Eigenleistung geplant und realisiert. Systempartner waren die Wiener Firma Alukönigstahl und der Systemanbieter Schüco. Für die anderen Gewerke des gesamten Projektes Vierzigerhof inklusive Stiegenhaus wurden in der Nähe ansässige Handwerksbetriebe beauftragt. Das Gebäudeklima berechnete ein externer Bauphysiker.
Auch andere Projekte setzt das Unternehmen Renner überwiegend in eigener Regie und komplett um. „Je weniger Personen und Unternehmen an einem Projekt beteiligt sind, um so leichter ist die reibungslose Ausführung, weil es nur wenige Schnittstellen gibt“, erläutert Renner.
Das 1922 gegründete Unternehmen beschäftigt aktuell 125 Mitarbeiter und wird von den beiden Brüdern Kurt und Andreas Renner geführt. Aus der Historie heraus besteht der Betrieb aus verschiedenen Firmen, die alle ausschließlich für die Heinrich Renner GmbH Leistungen erbringen. „Der Vorteil dabei ist“, so Andreas Renner, „dass wir dank dieser Unternehmensstruktur sehr flexibel sind und unsere eigenen Mitarbeiter wie eine Arbeitnehmerüberlassung untereinander austauschen und immer dort einsetzen können, wo sie ihre besten Fähigkeiten und Qualifikationen haben.“

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