Das Alte Wasserwerk in Willich
Nach fast 100 Jahren Dornröschenschlaf
In Willich bei Krefeld wurde ein denkmalgeschütztes Wasserwerk umfassend saniert und wird inzwischen als Bürogebäude genutzt. Der Bau wird geprägt von einem offenen, zentralen Stahlbau-Treppenhaus. Janssen Metallbau und Montage aus Kalkar hat die Treppen und Fenster im Industriestil ausgeführt.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts gab es im Ruhrgebiet neben den Stahlwerken von August Thyssen und Ernst Krupp auch noch ein Stahlwerk von Reinhold Becker in Willlich bei Krefeld. Das Unternehmen kollabierte 1923 während der Hyperinflation und geriet in eine finanzielle Schieflage. Nach Beckers Tod 1924 wurde zunächst eine Sanierung des Unternehmens beschlossen, die jedoch nicht gelang. So wurde das Werk nach und nach stillgelegt. Zurück blieb ein hochwertig angelegtes, 100 ha großes Industrieareal, das aus dem Fokus der Aufmerksamkeit geriet und verfiel.
1945 richtete die britische Rheinarmee dort ihr Royal Engineering Depot ein. Die zahlreichen Industriehallen wurden überwiegend zum Abstellen von Fahrzeugen genutzt. Eine Beheizung war in diesen Gebäuden nicht erforderlich, die Dächer mussten einfach nur dicht sein. Militärisch bestens bewacht, fiel so das Areal über mehr als 60 Jahre in einen Dornröschenschlaf.
2019 beauftragte der Eigentümer, die Grundstücksgesellschaft Willich, das Aachener Architekturbüro HJP-Planer mit dem Umbau und der Sanierung des mittlerweile denkmalgeschützten Wasserwerkes. Das Büro hatte den Masterplan für die Umwandlung des ehemaligen Stahlwerks Becker zu einem zeitgemäßen Industriepark entwickelt und bereits etliche Sanierungen auf dem Areal realisiert.
Um das marode Mauerwerk abzufangen, entwarfen die Planer um Prof. Peter Jahnen in den beiden Seitenflügeln des Gebäudes ein Haus-im-Haus-Konzept. Durch eine 10 cm starke Dämmschicht getrennt, errichteten sie auf einer neu angelegten, durchgehenden Bodenplatte einen zweiten, innen liegenden Rohbau, an dem sie die äußeren Bestandswände fixierten. Den Mittelrisalit ließen sie hingegen frei und sahen hier ein offenes Treppenhaus in Form einer Stahlkonstruktion vor. Brandschutztechnisch zulässig wurde dies aufgrund einer Nichteinstufung dieses Treppenhauses als erster Fluchtweg. Dieser ist nunmehr für alle Räume durch die Fenster vorgesehen. Die erforderlichen Anleitermöglichkeiten und Aufstellflächen für die Feuerwehr wurden dafür geschaffen.
Der Bau gliedert sich auf in vier zweigeschossige Büroeinheiten. Dabei sind die Erdgeschossflächen über je eine Spindeltreppe zusätzlich mit den darunter liegenden Souterrainbereichen verbunden. Die beiden Büroeinheiten im Obergeschoss verfügen jeweils über ein ebenfalls mit Spindeltreppen intern angeschlossenes Mezzaningeschoss.
Zentrales Treppenhaus
Mit dem Bau des zentralen Treppenhauses wurde Janssen Metallbau und Montage in Kalkar beauftragt. Der Familienbetrieb beschäftigt acht Mitarbeiter und hat sich als Bauschlosserei eine Expertise bei Stahlbauprojekten im Bereich der Industriekultur erworben. So war er öfters an Projekten im Gewerbepark Stahlwerk Becker beteiligt.
Der Stahlbau des Treppenhauses besteht aus zwei brückenartigen, rund 7 m langen Einheiten, die in jedem der beiden Obergeschosse quer zum Haupteingang von einer Trennwand zur gegenüberliegenden reichen. An diese sind seitlich mit auskragenden Podesten zwei einläufige Treppen angehängt, eine dritte führt hinab in das Untergeschoss. Diese Brücken ruhen, wie die Treppenläufe, auf IPE 300 Profilen (300 x 150 mm) der Stahlqualität S235. Alle Treppenläufe wurden von Janssen mit den daran angebrachten Geländern vorgefertigt und – wie die durchgehenden Stahlträger – von oben mithilfe des Rohbaukrans eingefahren und montiert. Hierzu wurde das neue Dach immer geöffnet und direkt wieder verschlossen.
Die durchgehenden Stahlträger wurden an 300 mm hohen und 15 mm starken Blechen an den Trennwänden mittels Fischer-Injektionsankern befestigt und mit sichtbaren Muttern an diesen fixiert. Aus formalen Gründen wünschten sich die Architekten durchgehende Metallbänder an den Wänden, obwohl statisch Bleche in Brückenbreite ausgereicht hätten. Die großen Stahlprofile hatte Janssen Metallbau vorkonfektioniert bei thyssenkrupp Schulte in Essen bestellt. In der Werkstatt ergänzten die Schlosser an den Kopfenden noch die fehlenden Bohrungen und schweißten Kurzpfosten zum Halt der Geländerelemente an. Beim Einheben in das Wasserwerk wurden die Träger mit den auf die Wandbleche aufgeschweißten Fahnenblechen verschraubt. Anschließend schweißten die Schlosser die Brückenbodenbleche mit Elektroschweißgeräten an den Trägern fest. Die Bodenbleche weisen eine Stärke von 8 mm auf und besitzen eine umlaufende, 60 mm hohe Aufkantung. Diese „Wannen“ wurden mit der Öffnung nach unten auf die Träger gelegt, in die sich ergebenden Deckenhohlräume ist die Beleuchtung integriert. Die quadratischen Geländer sind elementiert angelegt und weisen in ihrer Höhe wie in ihrer Länge jeweils 1,10 m auf. Angeschraubt wurden diese an die erwähnten Kurzpfosten, die jeweils zwischen zwei Geländerelementen sitzen und so einen 10-mm-Abstand zwischen diesen herstellen. Oberhalb der Kurzpfosten sitzt immer ein lasergesägter Handlaufhalter aus Edelstahl, der im oberen Geländerbereich diesen Abstand sicherstellt. Ein durchgehender Handlauf aus Edelstahl wurde auf die Halter aufgesteckt und im WIG-Schweißverfahren dauerhaft mit diesen verbunden.
Außenfenster
Die alten Außenfenster waren eine einfache Konstruktion aus Stahlwinkelprofilen, deren Rahmenelemente in die Leibungen einbetoniert waren. Insbesondere an diesen Übergangsstellen waren die Fensterrahmen stark korrodiert. In Abstimmung mit der Denkmalpflege entschied sich das Architekturbüro HJP für eine Rekonstruktion der Fenster. Die Lösung bot sich insofern an, als für diese Fenster kein Wärmeschutznachweis erforderlich war, da die thermische Trennung infolge der Haus-in-Haus-Bauweise an der neuen Innenwand erfolgt. Hier sitzt ein zweites Fenster, das diese Auflagen erfüllt. Es ist ein handelsübliches Stahlfenster des Herstellers Schüco.
Hatte es sich bei den ursprünglichen Fenstern um eine Festverglasung gehandelt, mussten die neuen Fenster zu öffnen sein, um eine Entfluchtung zu ermöglichen. Die entsprechende Detaillierung wurde von Janssen Metallbau entwickelt und im Rahmen eines 1:1-Modells der Denkmalpflege zur Freigabe präsentiert.
Eine Herausforderung stellten die kleinen Glasgrößen infolge der gewünschten Fenstersprossung dar. Peter Janssen, Inhaber von Janssen Metallbau, hatte bei einem früheren Auftrag leider die Erfahrung machen müssen, das bei Glaszuschnitten pauschal eine minimale Glasfläche von 0,5 m² Glas angesetzt wird. Das hätte bedeutet, dass jede einzelne „Glaskachel“ von z.B. 30 x 30 cm = 0,09 m² Größe mit 0,5 m² abgerechnet worden wäre. In Absprache mit der Denkmalpflege fand sich eine finanziell angemessene Lösung in einer Ebenenaufsplittung der Sprossung: Während die horizontalen Sprossen weiterhin in der Glasebene blieben, ordnete das Metallbauunternehmen die vertikalen Sprossen unmittelbar davor an. Dies führte zu einer nicht unerheblichen Reduzierung der Produktionszeit. Dennoch blieben die vertikalen Sprossen weiterhin ein Teil des Fensterflügels, sie klappen beim Öffnen mit auf.
Dachstuhl
Das alte Walmdach bestand aus großformatigen Betonfertigteildielen, die auf einen stählernen Dachstuhl bzw. auf Fachwerkbindern in Mittelrisaliten aufgelegt und äußerlich nur mit einer Bitumenbahn verklebt waren. Diese Konstruktion war nicht mehr zu halten und wurde durch gedämmte Holzsandwichelemente ersetzt. Da aber das Tragvermögen der bestehenden Stahlkonstruktion auch dafür nicht mehr ausreichte, wurde diese insbesondere in den Seitenflügeln mit Stahlprofilen vergleichbarer Bauart ertüchtigt. Um das Gebäude schnell trockenzulegen, wurde der Bau des Daches vorgezogen und erst danach wurden die Elemente des Stahltreppenhauses eingebracht. Insofern galt es, beim weiter oben bereits erwähnten Einfädeln der Bauteile darauf zu achten, nicht nur diese vorsichtig durch die Dachöffnung zu führen, sondern auch die Stahlkonstruktion darunter nicht zu touchieren.
Lackierung
Um die rekonstruierten Außenfenster vor Korrosion zu schützen, wurden diese in Duisburg bei ZINQ Duisburg feuerverzinkt. Die Oberflächen des neu erstellten Treppenhauses wurden hingegen erst gesandstrahlt und dann dickbeschichtet. Dafür wurde SikaCor verwendet; ein Beschichtungssystem, das ohne Grundierung in zwei Lagen im finalen Farbton aufgetragen wird. Hier war das DB 703 versetzt mit Eisenglimmer. Eine Ausnahme bildeten hingegen die Geländerelemente, welche Peter Janssen extern pulverbeschichten ließ.
Industriekultur undenkbar ohne Stahlbau
Der Stahlbau bei diesem Projekt war zwar nicht das kostenintensivste Gewerk, wohl aber das bedeutendste hinsichtlich der Gebäudeanmutung und des Denkmalschutzes. Es ist beeindruckend, wenn Handwerksunternehmen wie Janssen Metallbau sich in alte Konstruktionen eindenken und eine historische Ästhetik in die heutige Zeit überführen.