Betriebsübergabe mit Strategie

Externer Coach moderierte Prozess

Bei der Handwerkskammer Region Stuttgart gilt die Betriebsübergabe noch heute als vorbildlich: Über mehrere Jahre hatte der damals 66-jährige Schlossermeister Erwin Heimsch seine Betriebsübergabe strategisch ­geplant. Fehler machte er dabei keine.

AlIein in Baden-Württemberg suchen in den kommenden fünf ­Jahren 60.000 Unternehmer mit rund 150.000 Arbeitsplätzen einen Nachfolger. Das belegen Zahlen des Wirtschaftsministeriums in Stuttgart. Zunehmend sind demnach kleinere Firmen von Problemen bei der Übergabe betroffen. Wirtschaftsprüfer, Banker und Berater der Handwerkskammern kennen Dutzende von Stolperfallen, an denen Betriebsübergaben scheitern können. Sie alle empfehlen professionelle Hilfe, um Angebot und Nachfrage zusammenzubringen.

Diese hat auch Erwin Heimsch angenommen, nachdem er in seinem 63. Lebensjahr beschloss, nun müsse er sich ernsthaft mit seiner Betriebsnachfolge befassen. 1973 hatte Heimsch, dessen damaliger Drei-Mann-Betrieb im Umfeld renommierter Stuttgarter Architekten einen ungeahnten Aufschwung genommen hatte, die beengte Landeshauptstadt verlassen, um auf den Fildern in Leinfelden zu expandieren.

Als Partner der Stadt Stuttgart und der Universität sicherte Heimsch seinem Betrieb eine Grundauslastung. Parallel verbreiterte er seine Basis im Industriebau und machte sich mit anspruchsvollen Privatbauten einen Namen als individueller Problemlöser. „Den Architekten, die mich vor immer neue Herausforderungen stellten und mir vertrauten, dass ich das packe, habe ich viel zu verdanken“, sagt der bescheidene Schwabe, der stets für seine Firma gelebt hatte.

Deshalb investierte Heimsch in all den Jahren in seinen Betrieb. So zuletzt 1995/96 in einen Neubau für Büro und Verwaltung mit einer Werkstatt für Edelstahlbearbeitung. „Als Aufbautyp musste ich immer sehen, dass es weitergeht, egal wer den Betrieb übernimmt“, kommentiert Heimsch diese Phase, in der sich abzeichnete, dass keiner der Söhne den Betrieb übernehmen würde.

Für den Schlossermeister war aber immer klar, dass es irgendwie weitergehen würde. „Wir hatten eine eingeschworene Belegschaft, die ich über Jahrzehnte kultiviert hatte, nicht zuletzt weil ich stets mit den hohen Löhnen und kurzen Arbeitszeiten der ortsansässigen Industrie in Konkurrenz stand“, erinnert sich der Unternehmer, wie er immer häufiger mit dem Gedanken spielte, die Mitarbeiter könnten selbst seinen Betrieb übernehmen.

Diese Fragen, verbunden mit der Sorge um den Erhalt der Firma, diskutierte Heimsch mit seinem Steuerberater. Der Zahlenmann wiederum kannte Dr. Jürgen Kässer, der als Psychoanalytiker immer dann in Firmen zum Einsatz kommt, wenn es um weiche Faktoren und Fähigkeiten wie Führung, Delegation oder Entscheidung geht. Dem Handwerker gefiel diese Empfehlung, „denn mir war klar, dass die menschliche Frage, wie es weitergeht, elementarer war als die betriebswirtschaftliche.“

Nach einem Erstkontakt war klar, dass die beiden miteinander konnten. Im Kreis der Familie fand daraufhin ein mehrstündiges Gespräch statt, in dem der Psychologe die Bedeutung des Einschnitts für jedes der Familienmitglieder mit den Beteiligten diskutierte und moderierte. „Es ging darum, nochmals klar zu benennen, dass dies die letzte Chance ist, sich über die Zukunft des Betriebes gemeinsam klar zu werden“, begründet Kässer diesen Schritt. „Dieses lange Gespräch hatte eine reinigende Wirkung für uns alle“, rekapituliert Heimsch diesen ersten Schritt hin zur Betriebsübergabe. Denn damit war der Weg für eine externe Lösung definitiv frei.

In einer zweiten Phase fanden monatlich von Kässer moderierte Gespräche Heimschs mit seiner Belegschaft statt. Auch hier empfanden es alle Beteiligten als entlastend, dass der Psychologe mit seinem Wissen um Beziehungskultur die Regie hatte. Dieser lenkte zunächst den Blick auf das Leben des Seniors als Unternehmer. Indem Kässer den Unternehmer erzählen ließ, was dieser in all den Jahren entbehrt und riskiert hatte, wie sein Alltag und sein Gemütsleben aussah und was er alles – für die Mitarbeiter nicht sichtbar – unternommen hatte, „damit der Laden läuft“, gewannen die Mitarbeiter eine neue Sichtweise und Teilhabe.

Vor diesem Hintergrund waren bereits nach Kurzem nur noch drei Handwerker interessiert, den Chef zu beerben. Mit diesen lotete Kässer nun aus, ob sie tatsächlich die Last der Verantwortung tragen wollten. Schließlich wurde auch hier deutlich, dass das Trio in letzter Konsequenz den Betrieb nicht übernehmen konnte.

„Das Ergebnis war für mich nicht tragisch, weil es eine weitere Klarheit brachte“, sagt Heimsch, für den nun der Weg für eine externe Lösung frei war. Denn nun würde sich auch im Fall einer Lösung von außen niemand übergangen fühlen. Zugleich war für die Belegschaft klar, warum der Betrieb geschlossen werden würde, wenn sich kein Übernehmer fände.

Schließlich nahm Heimsch Kontakt mit der Handwerkskammer Region Stuttgart auf, um potentielle Übernehmer kennenzulernen. Dort hat man den Senior auf Grund seiner Souveränität noch heute in positiver Erinnerung. „Betriebsnachfolge ist ein existenzieller Eingriff, dessen Kosten, Zeit und Aufwand die allermeisten Übergeber leider noch immer unterschätzen“, sagt ein Kammerberater. Zu viele Unternehmer gingen mit ihren Problemen nicht offensiv um, weshalb wichtige Details, an denen Übergaben scheitern, zu lange unentdeckt blieben. Am Ende liefe den Übergebern die Zeit davon, zumal in der Interimsphase Investitionen und dringende Entscheidungen meist verschleppt würden.

Im Sommer 2003 lernte Heimsch, der mittlerweile mit einigen Interessenten erste Kontakte hatte, Bernhard Stöhr über die Internetplattform der Handwerkskammer kennen. Der heute 55-jährige Stahlbauingenieur, der Betriebsleiter eines 40-Mann-Betriebs war, wollte sein „eigener Herr“ sein. Aus finanziellen Gründen war für ihn Heimschs Betriebsgröße interessant. Auch er hatte mittlerweile einige Betriebe gesichtet und spürte bereits beim ersten Kontakt, dass der Senior ähnlich „tickte“ wie er, weshalb ihm auch der Gesamteindruck von Betrieb und Belegschaft auf Anhieb gefielen.

„Dass Heimsch einen externen Coach für die Übergabe hatte, zeigte mir seine Ernsthaftigkeit“, so Stöhr, der auch bei der Belegschaft eine unerwartete Offenheit und Anteilnahme erlebte. Mehr als ein Jahr zogen sich die Gespräche hin, bis sich beide Seiten kompromisslos füreinander entschieden und andere Optionen emotionslos verworfen hatten.

Erst dann unterschrieben die Partner, die vor allem das gegenseitige Vertrauen aneinander schätzten, einen Vorvertrag und Stöhr bezog auf eigenes Risiko einen Schreibtisch im Büro des Seniors. In dieser Zeit begleitete er Heimsch viel zu Kunden, führte intensive Gespräche mit den Mitarbeitern und verinnerlichte den Ablauf sämtlicher Interna und Geschäftsprozesse.

2005 wurde der juristische Inhaberwechsel vollzogen. Ursprünglich war vereinbart, dass der Übergeber nun seinerseits noch sechs Monate assistiert. Doch mittlerweile war Stöhr bereits dermaßen sattelfest, dass sich der Senior im gegenseitigen Einvernehmen zurückziehen konnte. Im Betrieb ließ sich der Senior, der mittlerweile 73-jährig seinen verdienten Ruhestand genießt und seinen Hobbies frönt, ungefragt nicht mehr blicken. So hatten auch die Mitarbeiter rasch verinnerlicht, wer ihr neuer Chef war.


Info & Kontakte

metallbau HEIMSCH GmbH
Dreifelderstraße 29
70599 Stuttgart
Tel. 0711 755171
info@metallbau-heimsch.de
www.metallbau-heimsch.de

Nachgefragt bei Dr. Jürgen Kässer

Dr. Jürgen Kässer, Psychoanalytiker und Führungskräftecoach aus Stuttgart, begleitet Firmen und deren Inhaber seit 25 Jahren in Phasen der Entscheidung und Veränderung. Dazu zählen auch immer wieder Betriebsnachfolgen.

metallbau: Herr Dr. Kässer, was macht eine Betriebsnachfolge im Handwerk so schwierig?

Jürgen Kässer: Beim Handwerker steht immer der Kunde im Mittelpunkt. In existenziellen Situationen wie bei einer Nachfolgeregelung steht aber der Betrieb selbst im Mittelpunkt. Das ist ungewohnt und stiftet deshalb Verunsicherung. Darauf reagieren die Beteiligten mit Rückzug oder machen alte Rechnungen auf, statt sich auf bewährte Stärken zu besinnen. Denn ohne Optimismus gelingt keine Nachfolge.

metallbau: Wie kommen die Beteiligten aber zu diesem Optimismus?

Kässer: Die Betriebsnachfolge geht vom Inhaber über die Angehörigen bis zum Mitarbeiter jeden an. Deshalb sollte man alle frühestmöglich einbinden. Häufig müssen die Angehörigen zunächst mit der Vergangenheit versöhnt abschließen können, um offen für Neues zu sein. Da gilt es, die richtigen Fragen fein dosiert in der richtigen Reihenfolge zu stellen, um nicht vorschnelle Antworten zu erhalten, die den Kern der Sache nicht treffen.

metallbau: Zum Beispiel?

Kässer: Vielleicht würde der Sohn den Betrieb ja übernehmen, wenn die Frage nicht von einem Generationenkonflikt überlagert wäre. Oder die Tochter würde weitermachen, wenn man sie ernsthaft fragen und ihr dies zutrauen würde. Dasselbe gilt für Mitarbeiter, mit denen dann geklärt werden müsste, ob sie sich das Führen der bisherigen Kollegen zutrauen oder eine Finanzierung hinbekommen.

metallbau: Wozu raten Sie in der Nachfolgefrage?

Kässer: Dass alle Beteiligten sich ihre Ängste und Vorbehalte vergegenwärtigen und die richtigen Fragen stellen. Aussagen wie „ich gehe ohnehin bald in Rente“ sind Ausflüchte. Zentrale Fragen sind: Welchen Stellenwert hat die Firma für unsere Familie? Wer oder was sind wir als Firma? Was sind unsere Stärken? Welche Rolle hat der einzelne Mitarbeiter?


Checkliste zur Übergabe

Das Anforderungsprofil:

Übergeber und Übernehmer sollten jeweils für sich schriftlich fixieren, mit welchen Erwartungen sie an den Partner herantreten. Dies umfasst persönliche und unternehmerische Kompetenzen, betriebswirtschaftliche Kennziffern sowie fachliche Qualifikationen. Im Fall Heimsch/Stöhr musste der Betrieb groß genug sein, um einen „Manager“ mitzutragen, aber klein genug, um für Stöhr noch finanzierbar zu sein.

Der Übergabezeitplan:

Übergeber und Übernehmer sollten schriftlich einen Zeitplan festlegen, bis wann die Übergabe stattfindet. Innerhalb dieses Planes können Einzelschritte und -bereiche vereinbart werden, in denen die Verantwortung zunehmend vom Übergeber zum Übernehmer übergeht. Im Fall Heimsch/Stöhr wurde ein Vorvertrag unterzeichnet, der Stöhr sechs Monate Einarbeitung zusicherte. Optional stand anschließend Heimsch noch sechs Monate als Berater zur Verfügung.

Die Kooperation:

Übergeber und Übernehmer erleben erst in der engen Zusammenarbeit, ob der Wechsel passt. Gegenseitige Offenheit, um frühzeitig Schwächen zu erkennen und darauf reagieren zu können, begünstigen den Erfolg. Je tiefer der Übergeber den Übernehmer in seine Karten blicken lässt und ihm einzelne Aufgaben überträgt, desto eher können Irritationen und gegenseitiges Misstrauen ausgeschlossen werden.

Der Kaufpreis:

Übergeber und Übernehmer sollten auch hier mit offenen Karten spielen, was ihre finanziellen Absichten und Möglichkeiten betrifft. Weil es für die Bewertung des Unternehmens wie für die Finanzierung des Besitzerwechsels viele Modelle gibt, sollten sich beide Partner auf eine gemeinsame Variante und Bewertung einigen, die ein unbeteiligter Dritter, zum Beispiel Wirtschaftsprüfer oder Kammer, ermittelt.

(Quelle: Dr. Jürgen Käser, www.dr-kaesser.de)
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