Kommentar

Mußmann zur DIN EN ISO 15614-1

Schweißverfahren sinnvoll qualifizieren

Mit der Neuausgabe der Norm zur Schweißverfahrensprüfung liegt aus meiner Sicht ein passables Regelwerk vor. Eine Einigung in Deutschland über einen Norminhalt ist sicherlich noch einfach, eine Abstimmung eines Inhaltes in Europa noch herbeiführbar. Europäer haben die annähernd gleiche Philosophie auf Basis der gemeinsam erarbeiteten EN-Normen. Die Einigung in der Welt von Europa bis hin zur von ASME geprägten Kultur ist ein Spagat.

Eine Einigung auf einen gemeinsamen Standard für die Qualifizierung von Schweißverfahren ist immer ein gewinnbringender Schritt für die Unternehmen, da doppelte Qualifizierungen nach unterschiedlichen Regelwerken eingespart werden können. Dieser Schritt wurde in Europa und seinen EN-Produktnormen seit 1992 mit der EN 288 bereits erfolgreich vollzogen.

Seit November 2004 gab es die weltweit auf Basis der EN 288-3 erarbeitete ISO-Norm für die Qualifizierung der Schweißverfahren. Diese fand jedoch, obwohl als ISO veröffentlicht, in den pazifischen Ländern keine Resonanz, da die dort bekannten Anforderungen sich hierin nicht wiederfanden. Ebenso lagen die Anforderungen in der ISO 15614-1:2004 oft deutlich über denen zum Beispiel aus ASME Section IX. Somit wurde die ISO-Norm in den USA nicht akzeptiert. Mit der Überarbeitung des seit November 2004 veröffentlichten Standards ISO 15614-1 ergab sich die Möglichkeit, die beiden unterschiedlichen Philosophien in den 2 Stufen bei ansonsten gleichen Anforderungen zu beschreiben. Damit ist aus meiner Sicht schon ein großer Schritt getan, die ISO-Norm den Amerikanern und Kanadiern schmackhaft zu machen. Vielleicht wird ja die ISO 15614-1:2017 auch in den ASME-Codes als gleichwertiges Regelwerk zitiert werden.
Für Europa geht es in der nahen Zukunft nun darum diese (datierte) Fassung der EN ISO 15614-1:2017 mit den beiden Stufen als Prüfgrundlage in die deutschen und europäischen Regelwerke einzubauen.

In der im Herbst 2018 erscheinenden EN 1090-2 wird im Abschnitt 7.4.1 „Qualifizierung des Schweißverfahrens“ in Tabelle 12 „Methoden zur Qualifizierung der Schweißverfahren für die Prozesse 111, 114, 12, 13 und 14“ diese neue Norm bereits eingearbeitet sein. Diese Stahlbau-Norm wird fordern, dass für die Qualifizierung der Schweißverfahren nach EN ISO 15614-1:2017 die Stufe 2 nachzuweisen ist. Bei den Regelwerken zur Erfüllung der europäischen Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU wird ebenfalls nur die Stufe 2 akzeptiert werden. Dies ergibt sich alleine aus dem Anhang ZA „Zusammenhang zwischen dieser Europäischen Norm und den grundlegenden Anforderungen der abzudeckenden EU-Richtlinie 2014/68/EU (PED)“, wonach die Qualifizierung dauerhafter Verbindungen (eben Schweißverbindungen) in den Kategorien II, III und IV nach Anhang I Ziffer 3.1.2 nur nach Stufe 2 zu qualifizieren sind. Die Regelwerke müssen noch formal diese Ausgabe von EN ISO 15614-1:2017 mit dem Zusatz „Stufe 2 ist zu erfüllen“ nachbessern.

Der Schienenfahrzeugbau mit EN 15085 hat sich ebenfalls entschieden, nur Qualifizierungen nach Stufe 2 der neuen Schweißverfahrensprüfungsnorm zu akzeptieren.

Leider wurde aus meiner Sicht die Chance vertan, sich mal die geringeren Anforderungen der Stufe 1 (ASME) anzuschauen und diese Stufe als eine Möglichkeit zu sehen, Verfahren für „untergeordnete“ Bauteile zu qualifizieren. Vielleicht besteht die Befürchtung, nicht ausreichend ein Verfahren für den praktischen Einsatz zu qualifizieren. Stellen wir in Europa eventuell zu hohe Anforderungen? Ich denke, bei näherer Beschäftigung mit den Inhalten der Stufe 1 werden wir Europäer uns diesem Weg der Qualifizierung öffnen.

Ein Wort sei an die Normungspartner jenseits des Atlantiks gerichtet — wohl wissend, dass ich sie im Höchstfall online erreiche: Warum verweist Ihr in der Tabelle 4 der Zulässigkeitsgrenzen für Unregelmäßigkeiten nicht auf die bekannte ISO 5817 mit ihren 3 Möglichkeiten; warum schreibt Ihr hier „keine spezifischen Anforderungen“, wie soll diese Formulierung ein Praktiker bewerten?
Auch ist das Festhalten an der Art des Tropfenübergangs beim Metall-Schutzgasschweißen im Abschnitt 8.5.2.3 nicht sinnvoll und muss überdacht werden. Eine Stumpfnaht kann nicht bei Wurzellage im Sprühlichtbogen geschweißt werden. Die Wahl und Kombination der Lichtbogenleistungsbereiche ergibt sich automatisch aus der Art des Stoßes (Stumpf- bzw. Kehlnaht), der Wurzellage bzw. Füll- und Decklage sowie der Schweißposition.

Oft wird bemängelt, dass Verfahrensprüfungen zu teuer seien. Die Qualifikation von Schweißverfahren sorgt für Fertigungssicherheit. Mit einer Verfahrensprüfung stellt das Unternehmen in erster Linie sicher, dass es bei Verwendung von diesen qualifizierten und überprüften Schweißparametern sowohl fehlerfreie Schweißverbindungen hinsichtlich der zerstörungsfreien Prüfung als auch Schweißverbindungen produziert, deren Festigkeit und Zähigkeit den Anforderungen entspricht. Wird ohne diese Überprüfung drauflos geschweißt, dürften Reparaturen deutlich teurer werden.

Dipl.-Ing. C-IWE IWI Jochen W. Mußmann
Vorsitzender im dt. Spiegelausschuss des DIN im NAS-04

Wichtige Änderungen im Überblick - Teil 1

Wichtige Änderungen im Überblick - Teil 2

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