Unternehmer Martin J. Hörmann
„Wir brauchen ein 100-Tage-Sofortprogramm!“
Unter der Unternehmensleitung der Brüder Martin J. und Christoph Hörmann erwirtschaftet die Gruppe mit Zentrale in Steinhagen einen Jahresumsatz von über einer Milliarde Euro und beschäftigt weltweit mehr als 6.000 Menschen. Drei Wochen nach der Messe BAU in München habe ich Martin J. Hörmann in Steinhagen zum Interview getroffen.
metallbau: Herr Hörmann, wie ist die BAU für Ihre Unternehmensgruppe gelaufen?
Martin J. Hörmann: Wir hatten auf dem Hörmann-Stand super, super viel zu tun und auch auf den Messeständen von Alukon, Lebo, Schörghuber und Huga war viel los. Von Mitbewerbern, die nicht als Austeller vertreten waren, habe ich gehört, dass sie auf der nächsten BAU wieder mit dabei sein wollen.
metallbau: Wie stehen Sie zur verkürzten Messedauer?
Hörmann: Wenn es nach mir ginge, würde die BAU weiterhin sechs Tage dauern. Der ganze Aufwand, den die Aussteller betreiben – nur für viereinhalb Tage; ich war von Anfang an gegen diese Verkürzung – aber als Mitglied des Messebeirats mit diesem Wunsch leider in der Minderheit. Im März wird über die Anzahl der Messetage neu entschieden.
metallbau: Sie haben gerade schon einige Tochterunternehmen aufgezählt. Wie kann man sich Ihr Alltagsgeschäft bei so vielen Töchtern und den zahlreichen Niederlassungen weltweit vorstellen?
Hörmann: Wie Ihre Leser habe ich ein breites Spektrum an Aufgaben zu erledigen. Ich bin in allen Bereichen tätig – ob das Einkauf, Personal, Produktion, Produkte, Vertrieb, IT oder Digitalisierung ist. Etwa 100 Tage im Jahr bin ich unterwegs, aber dank der neuen Medien kann ich trotz Mobilität mit allen gut in Verbindung bleiben.
metallbau: Haben Sie Ihren Fokus eher auf die Technik gerichtet oder mehr auf das Betriebsmanagement?
Hörmann: Mein Bruder Christoph und ich haben beide Wirtschaftsingenieurwesen studiert, wir kommen also aus dem technischen Bereich, sind aber auch inhaltlich breit aufgestellt und müssen uns selbstverständlich ums Betriebsmanagement kümmern.
metallbau: Hörmann hat als klassischer Metall-/Torbauer angefangen, welchen Bezug haben Sie noch zu Ihren Wurzeln?
Hörmann: Wir sind mittlerweile natürlich ein größeres Industrieunternehmen, aber es gibt immer noch Produktbereiche, wo wir wie ein Metallbauer agieren; beispielsweise bei Sonderkonstruktionen für Haustüren oder Rohrrahmenobjekttüren aus Stahl und Aluminium.
metallbau: Die Stahlproduktion in Deutschland ist in den vergangenen Jahren enorm rückläufig gewesen. Die Anforderungen „grünen“ Stahl zu erzeugen und zwar wasserstoffbasiert sind hoch. Meinen Sie, dass Deutschland weiterhin Produktionsstandort für Stahl bleiben wird?
Hörmann: Stahl ist ein nachhaltiges Produkt. Der Baustoff hat jetzt schon einen hohen recycelten Anteil – allein schon durch die Herstellungsverfahren. Wenn es uns gelingt, in Europa weiter einen fairen Wettbewerb zu erhalten und gegen mögliche Dumpingangebote aus dem Ausland Maßnahmen zu ergreifen, dann sollten sich die anstehenden Herausforderungen meistern lassen. Zweifellos sind das schwierige Jahre für die deutsche Stahlindustrie.
metallbau: Sehen Sie im Bauwesen Potenzial für mehr Einsatz von Stahl? Holz ist ein starker Wettbewerber zu Stahl – insbesondere weil häufig nicht gesehen wird, dass CO2-Emissionen auf den Lebenszyklus hin berechnet und betrachtet werden sollten.
Hörmann: Holz hat Vorteile und wird unter Umständen seine Anteile im Bauwesen weiter ausbauen, aber das bedeutet sicher nicht, dass Stahl aus dem Hochbau verschwindet.
metallbau: Mit den Lösungen für den Wohn- und Objektbau hatten Sie in den vergangenen Jahren einen Geschäftsbereich Servicetechnik ausgebaut – wie viele Servicetechniker arbeiten inzwischen für Sie in der D-A-CH-Region?
Hörmann: Ja, es ist uns gelungen, dieses Segment auszubauen; die Wachstumsrate ist inzwischen aber moderater, diese Mitarbeiter müssen rekrutiert und geschult werden. Für uns sind heute europaweit über 300 Servicetechniker tätig.
metallbau: Apropos Schulung; wie viele externe Teilnehmer haben im Jahr 2024 Ihr Schulungsangebot wahrgenommen?
Hörmann: In Präsenz haben wir im vergangenen Jahr über 3.000 externe Kunden und Partner weitergebildet. Online wurden zusätzlich nochmal an die 10.000 Teilnehmer geschult.
metallbau: Solche imposanten Zahlen passen nicht mit der Baukrise zusammen, wie spüren Sie die schwache Konjunktur?
Hörmann: Wie im gesamten Markt sind alle unsere Wohnraumprodukte sehr stark rückläufig – im mittleren zweistelligen Prozentbereich. Für den Gewerbe- und Industriebau ist es 2024 noch etwas besser gelaufen, aber wir erwarten für 2025 keine Besserung. Unser Ziel ist es, dass wir heuer die Zahlen von 2024 halten, aber selbst das wird sehr schwer werden.
metallbau: Prof. Dr. Gunnar Grün geht in den kommenden Jahren hierzulande nurmehr von 10% Neubauvolumen aus, der Rest der Bautätigkeit betrifft den Bestand. So hat sich der stellvertretende Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik zumindest bei der Paneldiskussion auf dem Schüco-Messestand während der BAU geäußert. Teilen Sie diese Ansicht?
Hörmann: Es lassen sich seit einigen Jahren steigende Zahlen im Sanierungssegment bestätigen. Das ist allerdings seit der Pandemie so, und an dieser Stelle will ich in Erinnerung rufen, dass unsere Branche seinerzeit auf der Gewinnerseite stand. Sicherlich wird die Renovierung auch weiter in den nächsten Jahren hohe Relevanz haben, aber sobald die Konjunktur anspringt, wird meiner Ansicht nach, der Anteil an Neubauten wieder steigen und mehr Marktvolumen als nur 10 Prozent umfassen.
metallbau: Vor zwei Jahren haben Sie auf Basis der sinkenden Genehmigungszahlen festgestellt, dass Sie analog zu diesen Zahlen von einem Rücklauf des Absatzes für Garagentore, Antriebe, Haustüren usw. ausgehen. Hat sich dies inzwischen so bewahrheitet?
Hörmann: Absolut. Wir haben Absatzrückgänge im mittleren zweistelligen Bereich. In einigen Produktbereichen beträgt der Rücklauf weit mehr als ein Minus von 20 Prozent.
metallbau: Wie kompensieren Sie diese Verluste?
Hörmann: Wir haben in den Werken Schichten abgebaut, aber nicht durch Entlassungen, sondern durch Abbau von flexiblen Zeitkonten und natürlicher Fluktuation. Bislang hat dies genügt.
metallbau: … und perspektivisch für 2025?
Hörmann: Wenn wir auf stagnierenden Kurs bleiben, dann genügen diese Anpassungen und wir kommen mit der jetzigen Mannschaft über die Runden.
metallbau: Ludwig Dorffmeister vom ifo Institut meinte bei der BAU-Pressekonferenz, dass der Konjunkturmotor unabhängig von den Neuwahlen vorerst nicht wirklich zu mobilisieren sei!
Hörmann: Selbst wenn der Konjunkturmotor der Bauwirtschaft heute wieder einsetzen würde, vergehen mehr als 12 Monate bis das Wachstum bei uns ankommt. Wir müssen langfristig denken. Aber die Branche sollte darauf hoffen, dass durch schnelles Handeln der neuen Bundesregierung Aufbruchstimmung entsteht und sich ein Schub für die Bauwirtschaft ergibt. Das Zinsniveau bewerte ich nicht so negativ, der Bedarf an Wohnraum ist da. Was fehlt, ist das Vertrauen in die Märkte. Baut sich das auf, dann wird auch der Knoten platzen. Die Baupreise haben sich mittlerweile auf einem realistischen Niveau eingependelt.
metallbau: Aber die Preise haben sich doch massiv erhöht!
Hörmann: Die Preise sind insgesamt gestiegen, nicht nur die Baukosten. Und auch die Löhne sind stark gestiegen; ich meine, Bauen ist nicht teurer geworden als andere Dinge auch.
metallbau: Auf der Messe haben viele Aussteller, verarbeiterfreundliche Produkte vorgeführt und ausgestellt, irgendwann müssen sich doch die Kosten auch durch diese Effizienzsteigerungen senken.
Hörmann: Der ganz positive Aspekt ist, dass es in unserer Branche mit Sicherheit wieder aufwärts gehen wird. Es gibt andere Branchen, die ihr früheres Niveau nicht mehr erreichen werden. Bei der Bauwirtschaft hingegen ist es nur eine Frage, wann es los geht.
metallbau: In unserem letzten Gespräch meinten Sie, dass der Markt sich schon einen Weg zu günstigem Wohnbau bahnen wird. Das ist aber bislang nicht passiert!
Hörmann: Meiner Meinung nach hat es eher psychologische Gründe, weshalb aktuell nicht so viel gebaut und investiert wird. Es gab ein riesiges Durcheinander in der Politik, gerade in Bezug auf die Bauwirtschaft. Wenn klare, transparente Vorgaben gemacht würden, dann kommt bei den Investoren und Privatleuten wieder das Vertrauen zurück und dann wird auch wieder gebaut.
metallbau: Was halten Sie nach den Neuwahlen für wichtig?
Hörmann: Es wäre sehr wünschenswert, wenn eine neue Regierung, die sich hoffentlich sehr schnell bildet, eine Art 100-Tage Sofortprogramm aufstellt – wir haben in den USA gesehen, wie schlagkräftig eine gut vorbereitete Politik sein kann – die Inhalte sind ein anderes Thema, darum geht es bei meinem Vergleich nicht. Beispielhaft geht es mir um schnelle und um wirkungsvolle Maßnahmen, die das Vertrauen in den Markt wiederherstellen. Der Bedarf ist da, es muss nur der Knoten platzen.
metallbau: Wenn eine neue Politikrichtung in Deutschland die gesteckten Klimaziele zeitlich schiebt, lassen Sie Ihre Zügel in Sachen Nachhaltigkeit dann auch lockerer?
Hörmann: Ungeachtet der gesellschaftlichen Agenda bleibt Nachhaltigkeit für die Unternehmensgruppe weiterhin sehr, sehr wichtig und wir werden diesen Weg nicht verlassen. Viele Wettbewerber bewegen sich nicht so schnell Richtung Nachhaltigkeit, wie wir uns das wünschen. Aber wir haben in den letzten Monaten verstärkt versucht, unsere Lieferanten mit ins Boot zu nehmen, indem wir nachhaltiges Wirtschaften ihnen gegenüber deutlich mehr in den Fokus rücken und den CO2-Dreiklang „Berechnen, Reduzieren und Kompensieren“ stärker einfordern.
metallbau: Wie steht es um den Klima-Obolus für den Wohnbau, werden Sie den für Ihre Kunden weiterhin zahlen?
Hörmann: Wir haben gesagt, wir übernehmen den Klima-Obolus für den Wohnbau auf jeden Fall bis 2027. Eine Entscheidung darüber, wie es dann weiter geht, ist noch nicht getroffen. Wir haben immer gesagt, Klimaschutz kann nicht eine Angelegenheit einzelner Unternehmen sein, sondern muss von der gesamten Gesellschaft getragen werden, auch von den Verbrauchern.
metallbau: Wie ist Ihre Haltung zu den politischen Bestrebungen, die Anforderungen des Lieferkettengesetzes zu reduzieren und den Vorgaben aus Brüssel nicht in Gänze zu folgen?
Hörmann: Ich denke, die Politik muss Rahmenbedingungen setzen, die für alle gleich sind. In den letzten Jahren wurde zu viel allzu kleinteilig geregelt. Der Spagat zwischen Richtlinien und einem Zuviel an Vorschriften ist schwierig. Es muss ein Weg gefunden werden, der Eigeninitiative bei nicht ganz ungeregelten Märkten ermöglicht. Wir wissen ja, auch ungeregelte Märkte funktionieren nicht.
metallbau: Erleben Sie in anderen Ländern mehr Zuspruch in Sachen Nachhaltigkeit?
Hörmann: Nein, da ist Deutschland schon führend. Aber die skandinavischen Länder haben auch sehr viel getan und tun weiterhin sehr viel.
metallbau: Sie haben Hochwasserschutztüren neu ins Programm genommen, woher rührt das?
Hörmann: Wir meinen, dass Hochwasser und Starkregen, so wie wir das im Ahrtal erleben mussten, durch den Klimawandel bedingt künftig häufiger auftreten werden und gehen davon aus, dass der Bedarf für Hochwasserschutz leider steigen wird. Wir möchten ein sinnvolles Angebot zusammenstellen, das heißt, es muss bezahlbar sein und soll am Produkt optisch nicht sichtbar sein. Wichtig ist zudem, dass der Hochwasserschutz bei dem Produkt kontinuierlich gegeben ist, sodass man nicht erst aktiv werden muss und zeitlich im Ernstfall unter Druck gerät, um sich zu schützen. Das ist uns bei unseren Aluminium-Haustüren und Stahl-Objekttüren gelungen.
metallbau: Kann Deutschland den Green-Tech-Wettbewerb international anführen?
Hörmann: Wir haben in diesem Bereich eine gute Ausgangsposition. Es gilt nun diese zu halten und dranzubleiben, damit wir unsere Green-Tech-Produkte bald exportieren können. Dazu müssen wir international wettbewerbsfähig bleiben. Hier muss die Wirtschaft ihre Hausaufgaben machen, erfolgreich. Der Solarbereich ist leider ein Beispiel dafür, dass dies nicht funktioniert hat. Wir waren in dieser Technologie führend und haben unsere Exportmöglichkeiten dafür verloren. Wir dürfen es nicht akzeptieren, dass Dumpingprodukte faire Märkte zerstören.
metallbau: Wie bewerten Sie die Schwierigkeiten, die wir technologisch mit der Energiewende haben – beispielsweise Speicherkapazitäten für Strom oder Leitungen, die über weite Strecken geführt werden können, ohne dass damit allzu große Stromverluste einhergehen; E-Autos hatten zu lange eine viel zu geringe Reichweite, aufwändige Tankabläufe und vor allem einen zu hohen Preis – wir haben gerade einen neuen MAN Transporter im Fahrzeugtest, der gar nicht erst als E-Variante angeboten wird.
Hörmann: Die Basistechnologie für die Energiegewinnung zu reformieren ist ein komplexes Unterfangen. Ich glaube, dass wir weiter auf diesem Weg bleiben werden; das ist nicht mehr rückgängig zu machen. Es kann sein, dass es länger dauert als wir gedacht haben – aber es wird nicht passieren, dass wir von den grundsätzlichen Zielen der Energiewende abweichen.
metallbau: Meinen Sie, dass sich in der Baubranche auch technologisch Probleme auftun könnten, so wie das in der Autoindustrie und bei den erneuerbaren Energien der Fall ist?
Hörmann: Die Baubranche ist im Vergleich zur Auto- und Energiebranche noch sehr traditionell unterwegs mit relativ wenigen Innovationen, die dann auch in der Praxis umgesetzt werden können. Insofern glaube ich, dass dieser extreme Innovationssprung uns in der Baubranche nicht unmittelbar bevorsteht und wir mehr Zeit haben, die Branche zu transformieren. Es besteht kein Bedarf, eine Revolution herbeizuführen.
metallbau: Sie haben auch Niederlassungen in autokratischen Staaten. Kommen Ihre Unternehmen, beispielsweise in China, mit Problemen in Berührung wie die Einhaltung der Menschenrechte oder Rechtstaatlichkeit?
Hörmann: In jedem Land, in dem man aktiv ist, muss man sich mit dem lokalen System auseinandersetzen. Wir glauben, dass die Präsenz in vielen Ländern wichtig ist, damit wir dort auch unsere Werte als Vorbilder vorleben. Wenn das viele machen, hat das einen gewissen Einfluss auf das Gesellschaftssystem in diesen Ländern. Zugegebenermaßen kann es einen höheren Aufwand bedeuten, in solchen Ländern unternehmerisch tätig zu sein. Man muss sich auf die Gegebenheiten einstellen, sei es in Bezug auf kulturelle Besonderheiten oder Rechtsvorschriften. Aber das macht doch den Reiz aus, mit unseren Werten wie Respekt, Mut, Zusammenarbeit und Leidenschaft ins Ausland zu gehen – diese gelten doch überall, das ist ja woanders nicht komplett anders.
metallbau: Sie haben sich noch nie aus einer Region unternehmerisch wieder zurückgezogen?
Hörmann: Nein, das haben wir bisher nicht gemacht.
www.hoermann.de
Nachhaltigkeitsbericht 2022/2023
Hörmann ist nicht zum Nachhaltigkeitsbericht verpflichtet. Den freiwilligen Bericht nach dem international anerkannten GRI-Standard begründet Martin J. Hörmann in der Einleitung: „Als Familienunternehmen sind wir uns der Verantwortung für nachfolgende Generationen bewusst und engagieren uns daher seit Jahren im Bereich Umwelt- und Klimaschuz.“ Im Rahmen der nachhaltigen Ausrichtung wird ISO 50001 als zertifiziertes Energiemanagement-System in der gesamten Hörmann-Gruppe eingeführt.