Preisanstieg & Lieferprobleme
Welche Möglichkeiten haben Unternehmer? 21.03.2022 |Der Bundesverband Metall gibt den Branchenunternehmen im Umgang mit Materialpreissteigerungen und Lieferproblemen folgende Handlungsempfehlungen. Unter der Unterschrift "Unmöglichkeit" geht es um den Fall, dass in der Ukraine bestellter Stahl wegen des Kriegs nicht geliefert wird.
Angebote befristen
Insbesondere bei materialintensiven Aufträgen ist die Materialkalkulation eine wichtige Position. Gerade bei größeren Baustellen sollte der Materialpreis sorgfältig ermittelt und kalkuliert werden. Dann muss dem Kunden eine Frist zur Annahme des Angebots gesetzt werden. Das kann etwa durch die Formulierung „An dieses Angebot halten wir drei Wochen gebunden“. Läuft die Frist ab, kann ein neues Angebot auf der Grundlage der aktuellen Materialpreise erstellt werden.
Materialpreise vom Händler zusichern lassen
Als zweite Sicherheit kann sich der Unternehmer für diesen Zeitraum den angefragten Einkaufspreis von seinem Lieferanten zusichern lassen. Fehlt eines der beiden „Sicherungswerkzeuge“, oder laufen die Zeiträume nicht synchron, kann der Unternehmer bei einer nicht kalkulierten Preiserhöhung im Nachhinein den Preis nicht Seite | 2 mehr ändern. Der Vertrag ist zu den ungünstigen Konditionen einzuhalten, ein Preisanpassungsrecht gibt es nicht.
Preisgleitklauseln
Eine weitere Möglichkeit sind Preisgleitklauseln. Wenn der Lieferant keine Preisabsicherung zusagt (oder dies wegen langen Bauzeiten nicht möglich ist), kann eine Preisgleitklausel helfen. Stoff- oder Materialpreisgleitklauseln können individuell im Vertrag vereinbart werden. In AGB lassen sie sich nur schwer rechtssicher vereinbaren. Das sollte mit anwaltlicher Beratung erfolgen. Gegenüber Privatkunden sind die Klauseln fast immer unwirksam. Ein Formulierungsbeispiel ist: „Verändert sich der Einkaufspreis des benötigten Materials im Angebot zum Zeitpunkt des Einbaus im Vergleich zum Zeitpunkt der Angebotserstellung, so verändert sich auch der Materialpreis des Endproduktes anteilig.“ Eine umfangreiche Klausel lautet:
Die vereinbarten Preise sind keine Festpreise:
Ändern sich die Grundlagen der Preisermittlung für Material, Fertigungskosten, Löhne und Gehälter, so sind die Angebotspreise entsprechend anzupassen. Insbesondere bei Materialpreisschwankungen zwischen Angebotsabgabe und Materialbeschaffung bzw. bei Lohnkostenschwankungen zwischen Angebotsabgabe und Ausführung der Leistung gilt die nachstehende Preisberichtigungsklausel der ECELiefer- und Montagebedingungen der „Europäischen Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen“:
P1 = P0 X (a + b X M1/M0 + c X L1/L0)
Die einzelnen Faktoren bedeuten:
P1 = Endpreis
P0 = Angebotspreis
a = Fixanteil
b = Materialanteil
c = Lohnanteil (a + b+ c muss immer gleich 1 sein)
M1 = Materialpreis bei Auftragsabwicklung
M0 = Materialpreis bei Angebotsabgabe
L1 = Lohnniveau bei Auftragsabwicklung
L0 = Lohnniveau bei Angebotsabgabe
Zusätzlich zu dieser Klausel ist eine Bindungsfrist an das Angebot sinnvoll. Also zum Beispiel: „Die Preise des obigen Angebots sind Festpreise bei einer Bauausführung / Fertigstellung bis zum ….. Danach gilt: Sollte sich der Einkaufspreis/Marktpreis für benötigte Materialien des obigen Angebots zum Zeitpunkt des Einbaus gegenüber dem Zeitpunkt der Angebotserstellung um mehr als fünf Prozent nachweislich erhöht haben, ändert sich der Einheitspreis entsprechend der Gewichtung des Materialanteils in dieser Position.“
a. Sonderfall 1: Bauen für die öffentliche Hand
Bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand kann der Auftragnehmer von sich aus keine Preisbindungsklauseln vorgeben. Er muss sich an die Vergabeunterlagen halten, sonst wird sein Angebot ausgeschlossen. Allerdings sind in den Vergabehandbüchern Stoffpreisklauseln vorgesehen: Die Preisformblätter Nr. 224, 225 und 228 und die Vergabehandbücher von Bund und Ländern enthalten Regeln zur Anpassung des schwankenden Marktpreises. Ist der Auftrag der öffentlichen Hand ohne Gleitklausel ausgeschrieben, hilft nur eine Preisgarantievereinbarung mit dem Lieferanten. Mehrkosten können grundsätzlich nicht weitergegeben werden.
b. Sonderfall 2: Bauverzögerung
Die Arbeiten verzögern sich, weil der Besteller die Bauzeiten ändert. Durch die verzögerte Ausführung der Leistung können Mehrkosten, weil in der Zwischenzeit der Materialpreis gestiegen ist. Diese Mehrkosten sind bei Vereinbarung der VOB erstattungsfähig2 , § 2 Abs. 5 VOB/B (vgl. BGH, Urteil vom 10. September 2009, VII ZR 152/08, Rz. 42). Denn anders als § 642 BGB lässt sich § 2 Abs. 5 VOB/B keine Beschränkung auf die Vergütungsfähigkeit von Vorhaltekosten entnehmen. Da die Mehrkosten dem Unternehmer aufgrund des Mitwirkungsverzugs bzw. seiner vom Unternehmer zu befolgenden Verzugsmitteilung entstanden sind, muss dem Unternehmer folglich eine entsprechende Mehrvergütung aus § 2 Abs. 5 VOB/B zustehen.
„Angebot freibleibend“
Mit dem Hinweis „Angebot freibleibend“ wird der rechtswirksame Vertragsschluss zeitlich eine Stufe nach hinten verlagert und kann so das Risiko der Preissteigerung abfedern. Der Kunde kann ein solches Angebot nicht verbindlich - also zum sofortigen Vertragsschluss führend - annehmen. Er kann nur den Willen zum Vertragsschluss äußern. Hat der Kunde diese Erklärung abgegeben, entscheidet der Unternehmer, ob er das Angebot annimmt. Erst dann kommt der Vertrag zustande. Sind die Preise bis zu diesem Zeitpunkt gestiegen, nimmt der Unternehmer das Angebot nicht an, sondern nennt den „neuen“ Preis. Nimmt der Kunde dann nicht an, kommt kein Vertrag zustande. Sinnvoll ist hier, den Kunden ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um ein verbindliches Angebot handelt, etwa durch die Formulierung „Angebot freibleibend, bei Interesse an der Auftragserteilung erstellen wir Ihnen gern ein verbindliches Angebot.“
Unmöglichkeit
Ist das Vertragsverhältnis derart gestört, dass eine Erbringung der Leistungen nicht mehr möglich ist, spricht man von „Unmöglichkeit“ i.S.d. § 275 BGB. „Objektive Unmöglichkeit“ liegt vor, wenn die Leistung von niemandem erbracht werden kann. Der Schuldner (und auch jeder andere) kann dauerhaft die Leistungspflicht nicht erfüllen, selbst wenn er dies wollte. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn aufgrund von Zerstörungen der Bezug von Stahl aus der Ukraine (vorausgesetzt, dieser war Vertragsgegenstand) nicht mehr möglich ist. Auch ein Einfuhrhindernis kann – wie zum Beispiel Einfuhrverbote – zur Unmöglichkeit der Leistung führen4 , also etwa Embargo-Vorschriften. Hier ist die Prüfung des Einzelfalls nötig, insbesondere dahingehend, ob der Import Vertragsgegenstand war. Die objektive Unmöglichkeit nach § 275 I BGB führt zur Leistungsbefreiung.
Notfall: Kündigung
Grundsätzlich ist eine (auch deutliche) Preiserhöhung kein Kündigungsgrund. Nach § 6 Abs. 7 VOB/B besteht allerdings bei einer Verzögerung oder Unterbrechung die Möglichkeit zu kündigen. Voraussetzung für das Kündigungsrecht ist eine Unterbrechung von 3 Monaten. Die Regelung differenziert nicht nach Risikosphären oder nach Verschulden. Sie bedarf einer Einschränkung nur, soweit es einer Partei im Einzelfall zumutbar ist, an dem Vertrag festzuhalten. Denn es ist ein allgemeiner Grundsatz, dass ein außerordentliches Kündigungsrecht voraussetzt, dass es einer Partei unzumutbar ist, an dem Vertrag festgehalten zu werden.5 Eine solche Kündigung kann dann dazu genutzt werden, über die Preise neu zu verhandeln. Voraussetzung ist dann natürlich, dass der Kunde an der Auftragsfortsetzung interessiert ist.