Klaus Rosenthal, Optimierer
„Veränderung braucht Bereitschaft“Klaus Rosenthal ist seit vielen Jahren Unternehmensberater im Fenster- und Fassadenbau und hat beispielsweise den Betrieb Langer Metallbau in Bad Fallingbostel (siehe metallbau Ausgabe 4/2022) optimiert. Ein Gespräch mit dem Niedersachsen über seine Mission, Arbeitsplätze aufzuräumen, und warum er lieber Kilometer statt Millimeter optimiert.
metallbau: Herr Rosenthal, Sie nennen sich „Optimierungs-Manager“. Was kann ich mir darunter vorstellen?
Klaus Rosenthal: Die Idee dahinter ist, nicht nur als „normaler“ Berater gesehen zu werden, sondern die Kunden bei den Veränderungen zu begleiten. Weil ich im Laufe der letzten Jahrzehnte gemerkt habe, dass es ihnen unheimlich schwerfällt, einmal festgelegte Ziele alleine und im Trubel des Tagesgeschäftes zu erreichen.
metallbau: Was sind denn die Probleme?
Rosenthal: Die meisten Kunden sind noch sehr handwerklich unterwegs. Es gibt wenig industriell geprägte Abläufe. Es werden keine Tages- oder Monatsziele gefasst, sondern es wird „dahinproduziert“. Auch ein großes Problem ist die Verschwendung. Verschwendung in dem Sinne, dass Fachkräfte sich immer noch viel zu sehr mit Dingen beschäftigen, die andere für sie erledigen könnten. Dabei sollten sie doch ausschließlich das machen, was sie wirklich gut können.
metallbau: Kein gutes Urteil, das Sie der Branche geben.
Rosenthal: Je kleiner das Unternehmen ist, umso weniger werden Ziele profihaft definiert. Da rede ich auch von Firmen mit bis zu 100 Mitarbeitern. Ihr allerwichtigstes Ziel sind meist die Umsatzzahlen. Es ist aber so, dass die Unternehmen die Information über die unternehmerischen Zahlen, also Materialeinsatz, Personalkosten, Gewinn usw., erst mit Verzögerung erhalten. Nämlich dann, wenn der Steuerberater die Bilanzen schreibt. Dann kommt das böse Erwachen. Ich drehe den Spieß um und sage: Ihr müsst euch vernünftig steuern, und das fängt bei den Zieldefinitionen an. Das betrifft dann nicht nur Fragen nach dem Umsatz, sondern auch „Wo gehen wir hin?“, „Was ist unsere Philosophie?“, „Was schaffen unsere Mitarbeiter in der Arbeitsvorbereitung oder Werkstatt?“, „Was sind unsere Tagesziele?“. Bei den Monteuren, der Verwaltung, in allen Bereichen kann man Ziele definieren. Das versuche ich, meinen Kunden als Erstes klarzumachen.
metallbau: Waren Sie als Prozessoptimierer auch firmenintern verantwortlich?
Rosenthal: Ich war viele Jahre in der Automobilzulieferindustrie tätig und habe mich mit meiner Mannschaft täglich um Prozessoptimierungen gekümmert. Einsparungen waren dort teilweise ziemlich schwierig zu erreichen. Selbst für kleine Optimierungen brauchte es einen großen Aufwand. Um es mal zu vergleichen: Wir haben uns dort bei Verbesserungen in den Einheiten Millimeter und Sekunden bewegt. In der Fenster- und Fassadenbaubranche bewegen wir uns in den Einheiten Kilometer und Stunden – das macht allen Beteiligten viel mehr Spaß!
metallbau: Was machen die Branchenfirmen noch falsch?
Rosenthal: Zum Beispiel, dass sie einem Wettbewerber in einer Sache nacheifern wollen. Erst einmal sind sie ganz euphorisch, aber nach einer Weile erschlägt sie das Tagesgeschäft, man nimmt sich nicht ausreichend Zeit und Muße dafür, das Projekt oder den Veränderungsprozess, den man anstrebt, konsequent umzusetzen. Ob das jetzt eine neue Software ist oder eine neue Maschine oder ein neues System – in vielen Bereichen werden die Veränderungen nicht so weit geführt, dass sie dem Unternehmen nachhaltig einen Vorteil bringen.
metallbau: Und was sollten sie stattdessen machen?
Rosenthal: Die Mitarbeiter miteinbeziehen. Hier schlummert das größte Potenzial. Um beim Beispiel Maschine zu bleiben: Der Chef, die Führungsmannschaft ist auf einer Messe, sieht eine Maschine und schlägt zu. Jetzt wäre zu beachten: Wo ist der optimale Platz? Was muss räumlich verändert werden, um den Material- und Prozessfluss zu optimieren? Wann werden die erforderlichen Stückzahlen erreicht, wie können wir gemeinsam weitere Verbesserungen erreichen? Hier werden nur in Teamarbeit gute Ergebnisse erzielt.
metallbau: Wie gehen Sie in Ihrer Beratung vor?
Rosenthal: Ich biete einen Analysetag an. Dabei spreche ich zuerst mit der Unternehmensleitung, besichtige dann den Betrieb und mache dabei Fotos und Videos. Ich versuche auch, mit den Mitarbeitern zu reden. Nachmittags präsentiere ich meine Erkenntnisse. Das ist für viele meist erschreckend.
metallbau: Wie gehen Ihre Kunden mit der Kritik um?
Rosenthal: Kritik ist das falsche Wort. Ich nenne es eher Potenzial. Zu Anfang geht es ja oftmals gar nicht um große Investitionen, die die Firmen tätigen müssen, sondern eher um viele kleine Veränderungen, bei denen sie ansetzen können.
metallbau: Was wären diese Veränderungen?
Rosenthal: Die Werkstatt und die Lagerorte aufzuräumen. Man braucht Struktur und Ordnung, wenn man Prozesse verändern will. Transparenter werden. Da geht es um Material-, Stromanalysen, um Prozesse, warum die kalkulierten Arbeitszeiten nicht eingehalten werden. Dafür muss man erst einmal eine Grundstruktur schaffen.
metallbau: Wo fängt man da an?
Rosenthal: Beim eigenen Arbeitsplatz. Es gibt eine Methode, sie heißt 5S, fünf Schritte zu einem optimalen Arbeitsplatz, und bedeutet Sortieren, Sichtbare Struktur schaffen, Sauber halten, Standardisieren, Sichern und Verbessern. Der erste Schritt ist also: Alles, was stört, kommt weg. Damit haben viele Mitarbeiter große Probleme. Der zweite: Sortiere die Dinge so, dass du sie schnell findest. Die Mitarbeiter in diesem Lernprozess zu begleiten, kann aber schon mal drei, vier Monate dauern. Ist das geschafft, geht es an die nächsten Schritte. Diese Methode gilt für das gesamte Unternehmen und muss von „Allen“ gelebt werden.
metallbau: Kommt die Kreativität da nicht zu kurz?
Rosenthal: Das Argument kommt meistens aus der Planung. Aber letztendlich muss am Ende des Projektes Geld übrigbleiben. Kreativität sehe ich deswegen eher in der Lösungsfindung. Wie kommen wir gemeinsam ans Ziel? Da liebe ich Kreativität, und da ist auch sehr viel bei den Kunden vorhanden. Letztendlich müssen Regeln vereinbart werden, damit der Prozessablauf reibungslos funktioniert.
metallbau: Wie finden die Mitarbeiter das?
Rosenthal: Viele Menschen mögen keine Veränderungen. Sie lieben das Gewohnte. Wenn im Betrieb ein Prozess verändert werden muss, gibt es verschiedene Phasen: Von Bedenken bis Euphorie, über Widerstand und dem Tal der Tränen, der Lernphase und ständiger Anpassung – bis wir den Ablauf nachhaltig leben. Dann erst ist das Projekt erfolgreich abgeschlossen.
metallbau: Wozu sind eigentlich die Fotos, die Sie machen?
Rosenthal: Die zeige ich den Mitarbeitern, um auf gewisse Punkte in den Abläufen oder an den Arbeitsplätzen aufmerksam zu machen. Die Reaktion ist dann oft: Ja, so haben wir das noch nie gesehen! Ich beginne meistens in der Werkstatt, weil man da am ehesten etwas erkennt. Aber viele Schnittstellen, die zu verändern sind, liegen im Verborgenen. Das fängt in der Geschäftsleitung an, geht über die Planung, die Kalkulation, den Kundenbedarf hin zur Montage und zum After-Sales. Die gesamte Wertschöpfungskette muss betrachtet werden. Das ist übrigens auch so ein Punkt, den Unternehmer oft nicht berücksichtigen. Sie versuchen, nur punktuell Probleme zu lösen.
metallbau: Wie vermitteln Sie das Problem?
Rosenthal: Den Mitarbeitern erkläre ich den Begriff „Wertschöpfung“ anhand der Ampelfarben Grün-Gelb-Rot.
Eine Tätigkeit, die grün ist, ist wertschöpfend und somit gut. Eine gelbe Tätigkeit ist notwendig für den Prozess, aber eventuell noch zu verbessern, und eine rote Tätigkeit ist Verschwendung und schlecht. Mit Videoaufnahmen analysieren wir gemeinsam mit den Mitarbeitern die einzelnen Tätigkeiten und erarbeiten Optimierungen. In der Realität stellt die wertschöpfende Tätigkeit den kleinsten Anteil dar, so um die 20 Prozent bei den handwerklichen Unternehmen. Die Verschwendung macht den größten Teil aus.
metallbau: Was passiert nach dem Analysetag?
Rosenthal: Noch am selben Tag stellen wir einen Maßnahmenplan auf, überlegen uns, wo wir beginnen und was die einfachsten Dinge sind, um auch schnell Teilerfolge zu erzielen. Dass die Mitarbeiter auch merken, dass sich was bewegt. Dann besuche ich sie monatlich, und es gibt Gespräche, wie es weitergeht. Ausschlaggebend ist, dass sie bereit sind für Veränderung.
metallbau: In welchem Zeitrahmen begleiten Sie eine Firma?
Rosenthal: Das ist unterschiedlich. Ich habe Kunden, bei denen war ich das erste Mal vor 20 Jahren. Gerade rief mich einer an und sagte, sein Umsatz sei explodiert, er würde gerne eine Halle anbauen. Ob ich nicht Zeit hätte, im Herbst vorbeizuschauen. Eigentlich reißt der Kontakt nie ab. Ein gemeinsames Projekt dauert mindestens ein halbes Jahr, viele zwei bis drei Jahre. Meistens ist der Beginn sehr intensiv, sodass ich auch zwei Tage im Monat vor Ort bin. Man muss natürlich versuchen, die definierten Ziele zu erreichen. Wenn es aber zu viele sind, geht das meistens schief. Ich bremse, wenn meine Kunden zu forsch sind. Oder ich gebe Gas, wenn es sein muss. Ich habe ein gutes Gefühl dafür, welches Tempo nötig ist.
metallbau: Klappt das immer?
Rosenthal: Ich biete meinen Kunden an, das Projekt zu stoppen, wenn es sein muss. Ich möchte sie nicht in einen Vertrag drängen. Wenn es rechtlich möglich ist, gibt es gar keinen Vertrag, sondern nur ein Versprechen. Das besagt: Wenn sie möchten, dass ich nicht mehr komme, komme ich auch nicht mehr.
metallbau: Kam das schon mal vor?
Rosenthal: Nein. Es gibt aber durchaus die Situation, dass Firmen mehr Zeit brauchen und ich erst einmal die Beratung aussetze. Ich besuche sie dann wieder zu einem späteren Zeitpunkt. Niemand soll überfordert sein. Ich werbe ja auch damit, dass ich das, was ich koste, sehr schnell wieder reinbringe. Das können die Unternehmer messen.
metallbau: Wie erleben Sie derzeit die Stimmung in der Branche Fenster- und Fassadenbau?
Rosenthal: Die Stimmung trübt sich ein – Arbeitskräfte- und Materialmangel, Preissteigerungen, Ungewissheit, Auslastung in den nächsten Monaten … Jetzt sollten unsere Unternehmer ihre Betriebe für die Zukunft fit machen. Es gibt noch reichlich Optimierungspotenziale. Ein externer unvoreingenommener Blick ist immer hilfreich, um diese zu finden. Der Ansatz liegt darin, den Betrieb zukunftssicher zu gestalten, egal, ob die Nachfrage sinkt oder nicht: Vermeidung von nicht wertschöpfenden Tätigkeiten, Einführung bzw. der Aufbau von reibungslosen Abläufen und Kostenanpassung im gesamten Unternehmen. Meine Botschaft lautet: Lasst euch nicht von Stimmung leiten, motiviert die Mannschaft und konzentriert euch auf Lösungen.
Klaus Rosenthal
geboren 1959 in Einbeck, machte eine Ausbildung im Maschinenbau und ließ sich zum REFA-Betriebsingenieur weiterbilden. Es folgte ein Studium der Betriebswirtschaftslehre. Nach dem Diplom arbeitete Rosenthal zunächst in der Automobil-Zuliefererindustrie. Dort kümmerte er sich um die Prozessoptimierung von Unternehmen. 1999 wechselte er zu einem Beschlaghändler. Dort entwickelte er Kundenbindungsprogramme. Seit über 20 Jahren ist Rosenthal als selbstständiger Unternehmensberater im Fenster- und Fassadenbau tätig. Nach eigenen Angaben hat er mit über 400 Fenster-, Türen- und Fassadenbauern im gesamten deutschsprachigen Raum, in Frankreich und in Luxemburg bereits Projekte umgesetzt.