HAWK Hildesheim
Metallgestalter bilanzieren
Die Hildesheimer Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst bietet das Studium Metallgestaltung an, Absolventen schließen als Designer ab. Die Redaktion metallbau befragte vier Absolventen nach ihrer Motivation fürs Studium und was beruflich aus ihnen geworden ist.
Sandra Geruschkat
„Im Studium schult man das Proportionsempfinden, um gut entwerfen zu können.“
Steckbrief: Dipl.-Designerin, Metallbauerin/ FR Gestaltung, zweieinhalb Gesellenjahre in ausgewählten Werkstätten, Studium von 1998 bis 2002, selbständig in eigener Werkstatt
„Nach meiner Lehrzeit beim Mainzer Kunstschmied Hermann Gradinger wollte ich das Künstlerische weiter vertiefen. Deshalb habe ich das Studium der Meisterschule vorgezogen. Ich habe einen Mappenvorbereitungskurs besucht und mich auf die Zulassungsprüfung vorbereitet. Ich bin auch mal vorab nach Hildesheim gefahren und habe mich mit Studenten unterhalten. Auf die Frage nach den Berufsaussichten für einen angestellten Metalldesigner antwortete mir damals einer der Professoren, ich solle mir mal keine Illusionen machen, aber wir Künstler seien die Blüten auf der Wiese des Lebens. Da habe ich mir gedacht: Hier bist du sicher richtig.
Sehr gut war die Breite der theoretischen Ausbildung, vor allem weil es ja sehr unterschiedliche Fachbereiche gibt, in die man immer hineinschnuppern konnte. Die Qualität der Werkstätten war schon damals wundervoll. Sie sind super ausgestattet. Wir waren wenige Studenten pro Semester, dadurch gab es eine intensive Betreuung und sehr persönlichen Kontakt zu den Dozenten und Professoren. Ausnehmend gut war die enge Verzahnung zwischen Theorie und Praxis, also zwischen einem Entwurf und seiner Umsetzung. Dadurch musste man sich wirklich bis zum Schluss mit dem Stück auseinandersetzen. Besonders habe ich vom ständigen Üben des Entwerfens profitiert. Davon hatte ich früher wenig Ahnung. Jetzt ist diese Fähigkeit in einen Instinkt übergegangen. Mein Auge sieht sofort, wenn die Proportionen stimmen. Das hilft mir nicht nur bei den Schmiedearbeiten, sondern in allen Bereichen des Lebens, bis hin zum Entwerfen von Flyern oder dem Dekorieren meines Marktstandes. Für meine Existenzgründung hat mir mein Netzwerk sehr geholfen, das ich mir vor und während des Studiums aufgebaut hatte. Ich hatte einen Werkzeugkoffer und ein paar Aufträge, so habe ich angefangen. Die Werkstatt konnte ich mir mit gebrauchter Einrichtung stückweise aufbauen. Wichtig ist, dass man sich schon im Studium klar wird, wie man später sein Geld verdienen will.“
Petra Schmalz
„Im Studium lernt man eine ganz andere Herangehensweise als im Handwerksbetrieb.“
Steckbrief: Dipl.-Designerin, Metallbauerin/ FR Gestaltung, Gärtnermeisterin, Studium von 2002 bis 2007, selbständig in eigener Werkstatt und Designbüro ‚Metallatelier Tietgen & Schmalz‘
„Als ich das Studium begann, war ich bereits 32 Jahre alt, Gärtnermeisterin und Metallbaugesellin und hatte viele Jahre Berufserfahrung. Der Meisterbrief ersparte mir das Abitur und war die Eintrittskarte für die FH. Ich komme zwar aus einer Schmiedefamilie, habe mich aber für den Metallberuf erst spät entschieden. Ein Wandergeselle gab mir damals Tipps für eine Praktikumsstelle.
Die Fachhochschule Hildesheim lernte ich durch eine Schmiedekollegin kennen. Vom Studium war und bin ich hellauf begeistert. Es hat mich sehr beflügelt. Ich fand es großartig, immer mal in ein anderes Gewerk hineinzuschauen, z.B. in die Silber- oder Goldschmiede, das plastische Gestalten, Schriftgestaltung oder den Formenbau. Die Werkstätten mit ihren Möglichkeiten fand ich einen Traum. Besonders hat mich die Entwurfsarbeit geprägt. Die Herangehensweise an ein Projekt ist eine völlig andere als in einem Handwerksbetrieb. Ein Thema von allen Seiten zu beleuchten und sich ein Vierteljahr damit zu beschäftigen, das ist im Berufsalltag in der Regel kaum möglich. Durch meine beiden Berufe habe ich meine Nische gefunden. Ich verknüpfe beides miteinander und schmiede vorwiegend Praktisches und Schönes für den Garten. Für Rankhilfen berücksichtige ich beispielsweise die Eigenheiten der Pflanzen, ihr Wachstum, ihren Habitus, ihre Größe. Das wissen die meisten Metaller nicht. Größere Schmiedeaufträge wie Fenstergitter oder Zäune führen wir selten aus, große Schweißkonstruktionen gar nicht. Dazu ist die Werkstatt mit nur 48 qm viel zu klein. Wir können sie nicht mit dem Gabelstapler befahren und haben keinen Kran. Dafür gibt es insgesamt sechs Feuerstellen. Das über 300 Jahre alte Schmiedeanwesen in der Umgebung von Hamburg konnte ich vom Eigentümer mieten, weil es in seiner Familie derzeit keinen Schmiedenachwuchs gibt. Das Einzige, was ich im Studium anders machen würde, ist, sich während dieser Zeit keinen Betrieb anschaffen. Ich musste aus Zeitgründen oft auf Ausschreibungen und Wettbewerbe verzichten. Insgesamt würde ich diesen Weg genauso wieder gehen. Man muss sich allerdings klar darüber sein, dass es nach dem Studium fast immer in die Selbständigkeit geht.“
David Müller
„Unbedingt nach Hildesheim und wertvolle Erfahrungen sammeln!“
Steckbrief: M.A. Gestaltung, Metallbauer/ FR Gestaltung, Studium von 2011 bis 2014, angestellt als Projektleiter und Designer bei ‚Michael Stratmann Werkstatt für Metallgestaltung‘, außerdem nebenberuflich eigene Schmiedewerkstatt
„Das Studium an der HAWK war enorm bereichernd und vielfältig. Man lernt mit fast spielerischer Intensität nicht nur Formen- und Materialsprache richtig einzusetzen, sondern vielmehr auch eine zu gestaltende Situation, einen Ort, eine Handlung oder ein Umfeld grundsätzlich zu hinterfragen und im Wesentlichen zu sehen und zu verstehen. Meine Denkweisen und meine Persönlichkeit wurden nachhaltig beeinflusst – auf sehr positive Art. Das Studium hat meine Erwartungen voll und ganz erfüllt. Theorie und Praxis sind eng verknüpft und es wurde verlangt, das Erdachte auf hohem handwerklichem Niveau umzusetzen. Dabei wurde es dem Studierenden überlassen, durch welches Medium er den Entwurfsprozess voranbringt. Wer nicht per Hand zeichnen kann, muss nicht zeichnen, sondern kann digital oder mit Modellen aus Metall, Ton oder anderen Werkstoffen seine Ideen darstellen. Die Werkstätten sind sehr gut ausgestattet, von traditionellen bis zu hochmodernen Werkzeugen und Maschinen. Die Dozenten versuchen, jeden Einzelnen individuell zu fördern.
Ich finde es wichtig, dass Metallgestalter und Metallbauer den Wert und die Qualität von gut gestalteten Objekten verstehen und anzuwenden lernen, um sich so nicht nur Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, sondern insgesamt zur zeitaktuellen Entwicklung der Branche beizutragen. Wir Handwerker müssen individuelle Lösungen anbieten, die die Industrie nicht befriedigen kann. Wir schaffen Objekte mit eigenem innerem Wert, mit Charakterstärke durch klug eingesetzte Materialien, Formen, Oberflächen und Strukturen. Denn manchmal sind es nur minimale proportionale Unterschiede, die uns vom einfachen Schlosser unterscheiden.“
Maik Nissen
„Durch das breite Angebot kann man sehr viele Dinge einfach ausprobieren.“
Steckbrief: Dipl.-Designer, Maschinenbaumechaniker, Studium von 2002 bis 2007, geschäftsführender Gesellschafter (gemeinsam mit zwei Partnern) des Metallbaubetriebes ‚Ideen in Metall‘
„Nach meiner Lehre begann ich zunächst ein Maschinenbaustudium, merkte aber schnell meine Neigung zur Gestaltung. Durch Wolf-Dieter Hans, der heute einer meiner Betriebspartner ist, erfuhr ich von der HAWK. Ich informierte mich und nahm an einer Studien- und Bewerbungsmappen-Beratung teil.
Trotz vieler Fachbereiche an der Fakultät Gestaltung ist die Zahl der Studierenden eher gering. So kennt man sich untereinander recht gut und hat die Möglichkeit, bereichsübergreifende Projekte durchzuführen. Die Kombination aus künstlerisch-handwerklicher Ausbildung gemeinsam mit akademischem Hintergrundwissen empfand ich als sehr bereichernd. Die Semesterprojekte waren eine gute Vorbereitung für das spätere Berufsleben. Sich eigenverantwortlich Dinge zu erarbeiten, ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die ich aus dem Studium mitgenommen habe. Sie hilft mir bei meiner heutigen selbständigen Tätigkeit.
Nach dem Studium bin ich zu Wolf-Dieter Hans zurückgekehrt und wir haben aus seiner Firma zu dritt mit einem weiteren Partner eine GmbH gegründet. Mit 15 Mitarbeitern bauen wir hauptsächlich für gewerbliche Kunden klassische Metallbau-Produkte wie z.B. Treppen, Balkone, Loggien, Vordächer oder auch Kommunalmöbel. Auch wenn ich derzeit leider selten entwerfe, sondern meist Projekte leite, technische Zeichnungen anfertige und Angebote schreibe, ist die erworbene gestalterische Kompetenz z.B. hilfreich im Umgang mit Architekten. Dann sprechen wir auf Augenhöhe, insbesondere wenn Beratung in Richtung Umsetzbarkeit erforderlich ist. Rückblickend kann ich sagen: Die gestalterische Ausbildung war überzeugend und fundiert. Weil sich viele Metallgestalter nach dem Studium selbständig machen und dann auf eigenen Beinen stehen müssen, wird mittlerweile in Zusatzkursen betriebswirtschaftliches Wissen vermittelt.“
Info & Kontakte
Sandra Geruschkat
Eisenschmelz 9a
67722 Winnweiler
Tel. 06302 982898
www.dieschmiedin.de
Metallatelier Tietgen & Schmalz
Esteweg 13
21255 Bötersheim
Tel. 04186 892185
www.tietgenundschmalz.com/
David Müller Design
Römerstraße 66
54332 Wasserliesch
Tel. 0170 5287726
www.david-mueller-design.de
Ideen in Metall GmbH
Alter Kirchenweg 81
24983 Handewitt
Tel. 04608 60912 0
www.ideen-in-metall.de