Kein schnelles Zusatzgeschäft
Trotz Preisdruck hat Blechbearbeitung PotenzialBlechbearbeitung als Zusatzgeschäft für den klassischen Metallbauer − wer dieses Geschäftsfeld ernsthaft entwickeln will, hat auch heute noch gute Chancen, erfolgreich zu sein. Doch der Wettbewerb innerhalb Europas wird härter. Ein Bericht über einen deutschen und einen österreichischen Blechspezialisten.
Schlossermeister Günter Schink begann zunächst als klassischer Metallbauer. Er gründete im Juli 1995 in Coburg sein Unternehmen und mietete eine Halle an. Doch schon sechs Monate später war klar, dass er sich auf die Blechbearbeitung spezialisieren und zu einem reinen Dienstleister entwickeln wird. Geschuldet war das der damaligen Situation vor Ort und dem Zufall. Die ortsansässigen Industrieunternehmen zeigten Bedarf an einem Spezialisten in der Blechbearbeitung.
Entscheidung für die Lohnverarbeitung
Günter Schink brauchte nur noch Mut und Durchhaltevermögen, denn die Investitionen in den Maschinenpark waren kein Pappenstiel. Rund 1,3 Mio. D-Mark kosteten allein eine gebrauchte Laserschneidanlage und eine Biegemaschine. „Die Finanzierung war sehr, sehr schwer“, berichtet Geschäftsführer Stephan Schink. „Es gab damals noch kein Maschinen-Leasing und keine Trumpf Bank. Von fünf Banken bekamen wir Absagen, denn wir waren ja ein Start-up-Unternehmen, noch ohne Bilanzen und betriebswirtschaftliche Aussagen.“ Erst als ein Unternehmensberater das ganze Anliegen in einem 40-seitigen Business-Plan vorstellte, fand das Metallbauunternehmen einen Weg mit der jetzigen Hausbank, die Investitionen zu stemmen. Erschwerend kam hinzu, dass es Mitte der 1990er-Jahre kaum Fördermittel in den alten Bundesländern gab. Die neuen Bundesländer hingegen profitierten von der politischen Zielvorgabe des Aufbau Ost.
Schink kaufte 1995 eine Mittelformatmaschine Trumpf Trumatic 2503 mit einem 2,6-kW-Laser und produzierte ab 1996 schon mit fünf Mitarbeitern. Der Betrieb wuchs schnell, der Bedarf an Blechteilen im Bereich Maschinenbau war groß. Metallbauer Schink kam damals entgegen, dass in der ehemaligen deutsch-deutschen Grenzregion von Oberfranken und Thüringen kaum Laserschneidanlagen standen. „Ab 2003 wendete sich das Blatt“, berichtet er. „Zwar gab es in den neuen Bundesländern immer noch Investitionszulagen und -zuschüsse von der EU, dem jeweiligen Bundesland und dem Bund von insgesamt bis zu 48 %, im Gegensatz zu rund 20 % in den alten Bundesländern, aber jetzt taten sich die Banken leichter, und es wuchs die Einsicht, dass Blechbearbeitung ein solides Geschäftsfeld ist“, sagt Schink. Nach seiner Schätzung stehen heute zehn Anlagen im Umkreis von 70 Kilometern zwischen Bad Rodach, Sonneberg, Hildburghausen und Schmalkalden. Doch der Unterschied zwischen Ost und West ist geblieben. Laut Schink ist die Region Coburg − Kronach − Bad Rodach aus der Förderkulisse herausgenommen, in Thüringen sind es immerhin noch bis zu 35 %. „Dieser Unterschied macht uns prinzipiell immer noch zu schaffen.“
Hoher Automatisierungsgrad
Obwohl die Investitionszuschüsse in den neuen Bundesländern attraktiv waren, blieb Schink mit seinem Unternehmen in Bayern. „Der Zufall wollte es so, denn der Bürgermeister einer thüringischen Gemeinde vergab das anvisierte Grundstück an einen Investor, der zehn Arbeitsplätze mehr schaffen wollte“, sagt er und ist heute froh, dass er im selben Ort lebt und arbeitet. Im Jahr 2000 zog Schink mit dem Unternehmen also nicht nach Thüringen, sondern von Coburg nach Bad Rodach, baute eine neue Fertigungshalle und kaufte eine Trumpf Trumatic TC L 4030 mit 4-kW-Laser. Sechs Jahre später war es dann eine weitere Trumpf TC L 3050 mit 6-kW-Laser und eine zusätzliche Biegemaschine von Trumpf, eine Trubend 5230. 20 Jahre nach Geschäftsgründung ist die fünfte Laserschneidmaschine im Einsatz. Ein Schweißroboter der Marke Severt garantiert die hohe Prozesssicherheit. Im vergangenen Jahr baute die Firma ein vollautomatisches Blechlager und eine neue Lagerhalle. Jetzt liefern die automatischen Regalbediengeräte das Material direkt bis zur Bearbeitungsmaschine. Das Blech kann nun materialgerechter gehandhabt werden, und gegenüber den Lieferanten hat sich die Bestandspflege und -abrechnung verbessert.
Derzeit sind in der Produktion 18 Mitarbeiter beschäftigt, fünf weitere sind für die Arbeitsvorbereitung und Konstruktion zuständig, in der Verwaltung mit Geschäftsführung sind es nochmals fünf. „Wir haben ausschließlich Facharbeiter, dazu zwei Meister und einen Ingenieur.“ Den Nachwuchs bildet das Unternehmen seit 2005 selbst aus, durchschnittlich ist es ein Auszubildender pro Jahr im Bereich Metallbau, Fachrichtung Konstruktionstechnik. Damit dies so bleibt, engagieren sich die Unternehmer bereits in Kindergarten und Schule und führen die Kinder durch praktisches Tun an das Material Metall heran.
Viel Potenzial, aber spürbare Konkurrenz
In der Blechbearbeitung sieht Schink noch jede Menge Potenzial schlummern, allerdings, so betont der Unternehmer, sind auch die Ansprüche der Kunden in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. „Vor zwanzig Jahren war der Kunde froh, wenn jemand überhaupt liefern konnte. Heute erwartet der Kunde ein kratzerfreies Blech, das nach der Bearbeitung barcode-lesbar beschriftet ist und einen Qualitätsnachweis mit Prüfprotokoll hat.“ Mit der Erfüllung dieser Prozessanforderungen kann man sich als Lohnfertiger noch immer vom Wettbewerb unterscheiden. Denn die Firmen aus den osteuropäischen Nachbarländern können zwar bis jetzt aufgrund niedrigerer Lohnkosten vor allem bei hohen Stückzahlen und Serienfertigung wesentlich kostengünstiger produzieren. Aber bei Losgröße 1 zählen Schnelligkeit und Nähe zum Kunden, und neben der Fertigungstransparenz bleibt die hohe Qualität aus Deutschland ein Pluspunkt.
Blechbearbeitung ist kein Segment, das sich ein klassischer Metallbauer als zweites Standbein so nebenbei aufbauen kann.
Das sieht auch der österreichische Blechbearbeiter Völkl aus Niklasdorf so. „Das Segment der Blechbearbeitung wächst. Und in Österreich wird immer noch mit sehr guter Qualität gefertigt und geliefert. Aber unsere östlichen Nachbarn werden immer besser“, ergänzt Christian König, einer der beiden Geschäftsführer des Blechtechnikspezialisten. Der österreichische Markt im Bereich Metallbau ist in seinen Augen besonders schwierig, da das Land mit der Slowakei, Ungarn und Slowenien gleich drei angrenzende Niedriglohn-Nachbarn hat. „In diesen Ländern schaffen sich die Firmen die gleichen neuen Maschinen an und unterbieten dann den österreichischen Markt mit noch günstigeren Preisen. Bei den Ausschreibungen fallen die Preise fast in den Keller, weil die Best-Preis-Bieter nur noch im ehemaligen Ostblock fertigen lassen. Leider praktiziert das großenteils die öffentliche Hand, unterdessen ziehen andere Auftraggeber nach“, beklagt er. Und die ganz großen Aufträge gibt es bei der Blechverarbeitung schon lange nicht mehr, ein Umfang von 100.000 Euro ist schon eine Ausnahme. Da bleibt nur Flexibilität, um viele kleinere Aufträge erledigen zu können.
Mit Qualität und Service punkten
Um dem Druck von außen erfolgreich widerstehen zu können, sieht König einen Ausweg in hoher Qualität und bestem Service. „Die Fertigungsqualität ist mittlerweile vergleichbar, aber Service, pünktliche Lieferung und Zuverlässigkeit sowie die After-Sales-Betreuung sind bei österreichischen Firmen besser.“
Und da die Blechverarbeitung nicht nur bei der Firma Völkl die Sparte mit dem meisten Zugewinn ist, lohnt es sich, dieses Geschäftsfeld besonders im Blick zu behalten. Das Unternehmen, das Marktführer für Abluftklappen, Brandschutztüren und -tore und Notrufkabinen im Tunnelbau ist, hat bezüglich Kostenoptimierung einen Kompromiss gefunden. Im ungarischen Lenti, unweit der österreichischen Grenze und 80 km zum Balaton, baut sich das Unternehmen derzeit ein zweites Standbein auf. Und in der Slowakei arbeitet Völkl mit einem Kooperationspartner zusammen. Beides wird als verlängerte Werkbank verstanden. In Lenti werden bevorzugt Schweißarbeiten und zeitintensive Oberflächenbearbeitungen durchgeführt. Aufgrund des Lohngefälles lohnt sich der Weg von über 200 Kilometern. Die Produktion wird auch für die Auslandswerke von Niklasdorf aus gesteuert. Hier arbeiten insgesamt 44 Mitarbeiter, im Schwesterunternehmen in Lenti sind es 23.
Die Firma Völkl will die Blechtechnik auf jeden Fall ausweiten und verstärkt in die Bereiche Gebäude und Fassaden sowie Lebensmitteltechnik vordringen. Dazu König: „Wer sich spezialisiert, findet auch seine Marktnische. Metallbauer haben meiner Ansicht nach gute Chancen im Fassadenbau, auch bei Wohnungsbauten. Vor allem Genossenschaften bauen oft sehr gute Wohnungen. Aber auch Bereiche wie Abwassertechnik oder Krankenhäuser bieten Potenzial.“
Kundenwünsche im Blick behalten
Metallbauunternehmer Stephan Schink weiß aber auch, dass die Nische nichts nützt, wenn man sich den aktuellen Anforderungen der Kunden nicht stellt. „Wenn wir nicht in eine leistungsfähige EDV und in ein ERP-System investiert hätten, würde es uns heute in dieser Form nicht mehr geben.“ Sich den Marktanforderungen anzupassen, hält er für eine ganz wesentliche Sache. Trotz guter Geschäfte mit der Blechbearbeitung schätzt er, dass unterm Strich die Margen im Vergleich zum klassischen Metallbauer nicht viel schlechter oder besser sind. Als Lohnfertiger hat er deutlich höhere Investitionen zu tätigen als der Handwerker, deshalb müssen die Kosten in sechs bis acht Jahren wieder eingespielt sein. Und eines vermeidet er: Aufträge von der öffentlichen Hand. Der Zahlungsfluss ist aus seiner Erfahrung viel zu ungewiss.
In die Blechbearbeitung würde er jederzeit wieder einsteigen, auch heute noch. Dazu hat auch die Dynamik der Branche beigetragen. „Wir wären sicher heute auch mit dem klassischen Metallbau erfolgreich, aber in einer ganz anderen Dimension“, resümiert Schink. Die Technologie des Laserschweißens hält er für besonders innovativ, dort möchte er künftig einsteigen. Ein großer Vorteil lasergeschweißter Bauteile ist der geringere, konzentrierte Energieeintrag in das Werkstück, weshalb der thermische Verzug niedriger ist.
Beide Unternehmen sind nach den europäischen Normen wie der EN 1090 zertifiziert. Diese Normen setzen Qualitätsstandards für alle und eliminieren schwarze Schafe. Aber sie sind sicher keine Vorteilsgarantie für zertifizierte deutsche und österreichische Unternehmen. „Irgendwann holen die Nachbarländer auf“, sagt Schink.