Internationale Fachkräfte

„Wir stemmen das, wir unterstützen sie!“

Harun Isakovic arbeitet seit gut einem Jahr als angehender Metallbauer bei der Firma Aufzugtechnologie Schlosser in Dachau. Aufgewachsen in Bosnien-Herzegowina, hatte er schon als Kind von einem Leben in Deutschland geträumt. Mit 22 Jahren ging sein Wunsch dank des Fachkräfteprogramms „HabiZu – Handwerk bietet Zukunft“ in Erfüllung.

Es sei schon immer sein Traum gewesen, nach Deutschland zu ziehen, sagt Harun Isakovic. Übers Fernsehen habe er viel über das Land erfahren und sich dafür begeistert; er sei sich sicher gewesen, in Deutschland einmal bessere Chancen zu haben als in seinem Heimatland auf dem Balkan. Mit dem vom deutschen Wirtschaftsministerium geförderten Projekt „HabiZu – Handwerk bietet Zukunft“, das Fachkräfte aus Bosnien und Herzegowina fürs deutsche Handwerk anwirbt, bot sich dem jungen Mann, 22-jährig, schließlich die Gelegenheit.

Seine berufliche Qualifikation im Metallbau brachte ihn im Oktober 2021 zur Firma Aufzugtechnologie Schlosser in Dachau bei München. Im Mai dieses Jahres folgte ihm seine Frau zusammen mit dem kleinen Sohn in die neue Heimat nach.

Wie vom Fachkräfteprogramm vorgegeben, nimmt Isakovic neben der Arbeit an einer überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung (ÜLU) im Bildungszentrum des Metallhandwerks im nahen Garching teil. Sieben Kurse sind auf 15 Monate verteilt. Darin wird er die beruflichen Kenntnisse erwerben, die er in Deutschland zur Anerkennung als vollwertige Fachkraft braucht.

Engagierter Mitarbeiter, engagierte Chefin

Bis es soweit ist, liegt allerdings noch eine Wegstrecke vor ihm. Seine Chefin Gabriele Schlosser ist sich aber sicher, dass er alle Hürden meistern wird. „Dafür, dass er doch so jung ist, ist er wirklich, wie soll ich sagen, arbeitswütig! Wenn man ihm sagt, dass er Urlaub hat, fragt er, ob das wirklich notwendig ist. Ich muss ihn wirklich überzeugen, sich freizunehmen“, erzählt Gabriele Schlosser in breitem Bayrisch. Sie erinnert sich an einige schwierige Wochen in der Coronazeit. „Fast die komplette Mannschaft war krank. Aber Herr Isakovic war gesund und hat in der Werkstatt tapfer die Fahne hochgehalten. Er ist zuverlässig, pünktlich – so, wie man sich einen Mitarbeiter und Kollegen wünscht.“

Mindestens genauso engagiert wie der neue Mann in der Werkstatt ist auch die Chefin. Zusammen mit Dr. Georg Schärl von der HWK München und Oberbayern sowie Richard Tauber (r. im Bild) vom Fachverband Metall Bayern holte sie ihn bei seiner Ankunft vom Busbahnhof ab. Am darauffolgenden Tag begleitete sie ihn zu den Behörden, ging mit ihm auf die Bank und half ihm beim Abschluss eines Handyvertrags. Das Wichtigste hatte sie aber schon lange im Voraus organisiert: „Mein Cousin hatte eine Wohnung frei. Die hab‘ ich dann gleich für Herrn Isacovic reserviert und den Vormietern die Einrichtung komplett abgekauft.“

Ein schwieriger Projektstart

Das Fachkräfteprojekt, über den die Firma Schlosser den jungen Mitarbeiter gefunden hat, entwickelte u.a. der Zentralverband des Deutschen Handwerks, betreut wird es von den deutschen Handwerkskammern sowie von den Fachverbänden. Speziell für den Berufszweig Metallbau ist die Handwerkskammer für München und Oberbayern sowie der Fachverband Metall Bayern zuständig. „HabiZu“ gibt es seit knapp drei Jahren; der Projektstart fiel mitten in die Anfangsphase der Coronapandemie. „Wir hatten definitiv einen schwierigen Start“, erinnert sich Richard Tauber, Geschäftsführer des Fachverbandes. Dieser kümmert sich als Partner der HWK um die Rekrutierung, Betreuung und Weiterbildung der Zuwanderer. „Alle Reisen, die nach Bosnien und Herzegowina geplant waren, um dort Fachkräfte zu rekrutieren, mussten gecancelt werden.“ Die Bewerbungsgespräche mit den potenziellen Kandidaten fanden deswegen alle virtuell statt.

Unter diesen Umständen wundert es vielleicht nicht, dass nur wenige, genauer gesagt fünf Vermittlungen zustande kamen – statt der ursprünglich anvisierten 40. Auf die Erfahrungen zurückblickend, die er in den beiden Projektjahren gemacht hat, findet Tauber, dass auch die Wahl des Landes „nicht ideal“ gewesen sei. Zwar komme die Metallbau-Ausbildung in Bosnien und Herzegowina der hiesigen „sehr nah“, habe aber trotzdem nicht den Erwartungen und Anforderungen entsprochen, wie man sie an Fachkräfte hat, die in Deutschland ausgebildet werden. Er sagt: „Es gab nur wenige Bewerber, bei denen wir mit Fug und Recht sagen konnten, dass sie sich für das Projekt eignen und die wir mit einer entsprechenden Anpassungsqualifizierung weiterbringen können.“ Der Geschäftsführer des Fachverbands mutmaßt, dass viele gute Fachkräfte sich schon in Eigeninitiative eine Arbeitsmöglichkeit im Ausland beschafft haben.

Negativ fällt auch ins Gewicht, dass von den Firmen ein relativ großer bürokratischer Aufwand verlangt wird. Zwar bekommen die Zugezogenen während der gesamten Anpassungsqualifizierung mit der sogenannten Integrationsbegleitung eine unterstützende Person zur Seite gestellt. Nichtsdestotrotz kommen die Betriebe nicht umher, sich für ihren neuen Kollegen Zeit zu nehmen und Gelder, beispielsweise die Kaution einer Wohnung, vorzustrecken. Darüber hinaus muss man auf das Visum unter Umständen lange warten, so geschehen auch bei Harun Isakovic. Seine Chefin erzählt, bei ihm habe es fünf Monate gedauert. Irgendwann im Spätsommer – das Vorstellungsgespräch war im Mai – habe sie die Geduld verloren und einen Brief an den damaligen Wirtschaftsminister geschrieben. Binnen vier Tagen war das Visum erteilt. Dass hier Grundlegendes geändert werden muss, ist in Regierungskreisen mittlerweile angekommen und lässt hoffen, dass in absehbarer Zeit der gesamte Prozess vereinfacht und beschleunigt wird.  

Wohnungsnot ist das größte Problem

Viele deutsche Betriebe sind laut Fachverbandsleiter an „HabiZu“ interessiert, haben aber große Bedenken just wegen genannter Hürden. Darüber hinaus fehlt es abschreckenderweise im Großraum München an bezahlbarem Wohnraum. Gabriele Schlosser kann das Zögern ihrer Berufskollegen deshalb gut verstehen — nicht jeder hat bei der Wohnungssuche so viel Glück wie sie. Auch wird von den Firmen erwartet, die Mietkaution der Wohnungen zu übernehmen. Die Chefin aus Dachau würde sich deshalb an dieser Stelle mehr finanzielle Unterstützung seitens der Projektverantwortlichen wünschen. „Einen kleineren Betrieb kann solcher Aufwand schnell überfordern“, glaubt sie. Dabei ist ihr Unternehmen ebenfalls recht überschaubar – 15 Personen beschäftigt die Schlosser Aufzugtechnologie insgesamt. Ihrer Meinung nach – und hierüber habe sie auch schon mit dem Fachverband gesprochen – „bräuchten die Neuankömmlinge ein Startguthaben von 10.000 Euro, wenn sie mit Familie kommen, und 5.000 Euro, wenn sie alleine sind.“ Und mit Vehemenz ergänzt sie: „Damit es den Leuten nicht den Boden wegzieht. Es ist hier ja alles sehr viel teuer als bei ihnen zuhause. Und natürlich ist für sie alles erst einmal gewöhnungsbedürftig.“

Richard Tauber wie auch Gabriele Schlosser sehen das größte Problem des Projektkonzepts für den Berufszweig Metallbau darin, dass die schwierige Wohnungssituation im Raum München nicht bedacht wurde. Deshalb entschlossen sich der ZDH und seine Projektpartner Mitte des Jahres, den Bezirk der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz einzubeziehen. Allerdings müssen die Fachkräfte, die in diese Regionen vermittelt werden, ihre überbetriebliche Ausbildung wie alle anderen in Garching bei München absolvieren. Das ist mit zum Teil längeren Anfahrten und Übernachtungen verbunden.  

Die Integration in den Betrieb ist in Schlossers Augen „das kleinste Problem“. Isakovic hatte, wie all die anderen ausgewählten „HabiZu“-Kandidaten, in den Monaten vor der Abreise Deutschkurse besucht. Er konnte sich von Anfang an mit seinen Kollegen unterhalten. Gesprochen wird in Schlossers Betrieb untereinander nur Deutsch. Zwei von Isakovics Kollegen kommen aus Syrien und Albanien. Gabriele Schlossers Aufgeschlossenheit, Ehrlichkeit und Pragmatismus tragen dazu bei, dass sich bei diesem speziellen Personalrecruiting alle respektiert und gewertschätzt fühlen.               

      www.schlosser.de

Infos für Arbeitgeber zu „HabiZu“

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